Anbau des Grandhotels

B048

Das Neorenaissancegebäude des Grandhotels (Benešova 18) wurde in den Jahren 1868–1870 ursprünglich als dreistöckiges Mietshaus erbaut, 1874 hat man das in der günstigen Lage am Hauptbahnhof gelegene Gebäude zu einem Hotel mit einer Kapazität von 124 Zimmern umgebaut. Das vierflügelige Gebäude hat zwei Innenhöfe, die durch einen fünften Flügel voneinander getrennt sind. Im Jahr 1895 war das Hotel im Besitz der Kommanditgesellschaft Siegl & Company mit Sitz in Brünn. Als Bürgen fungierten die Brünner Fabrikanten Anton I. Siegl und Arnold Grünfeld und der Fabrikant Friedrich Wannieck sowie der Pariser Bauingenieur Arthur Crespin als weitere Gesellschafter. Letzterer besaß das Hotel seit 1877 zusammen mit dem Ingenieur und erfolgreichen Maler Franz von Felbinger, dem Schwiegersohn des ursprünglichen Besitzers Josef Werner, von diesen Gesellschaftern erhielt es dann den Namen Grand Hotel. Im Jahr 1901 ließ die genannte Kommanditgesellschaft das ursprüngliche Gebäude in der Breite des hinteren, d.h. nördlichen Flügels um einen Anbau in der gegebenen Höhe von drei Stockwerken erweitern. Der Entwurf wurde von den Architekten Ernst Lindner und Theodor Schreier ausgearbeitet, die spätestens ab 1897 bis zum Jahr 1906 ein gemeinsames Architektenbüro in Wien unterhielten. Beide waren an der dortigen Technischen Hochschule Schüler des Architekten Karl König. Für Brünn hatten sie 1898 bereits das Neorenaissancegebäude der Mährisch-Schlesischen wechselseitigen Versicherungsanstalt auf dem Platz der Freiheit (damals Großer Platz) entworfen; in dem zahlreich beschickten Wettbewerb konnten sie sich damals zwar nicht durchsetzen, wurden aber möglicherweise gerade dadurch in Brünn bekannt.
Im Erdgeschoss des Anbaus befindet sich ein großer Saal (der für ein französisches Restaurant genutzt wurde), in den Stockwerken dann ein Dreiertrakt mit Hotelzimmern auf beiden Seiten. Nach der in den Jahren 1986-1988 erfolgten Renovierung enthält jede Etage des Gebäudes acht Zimmer, d.h. insgesamt 24, wobei die Gesamtkapazität 115 Zimmer beträgt. Während sich die Fassade des Anbaus auf der Nordseite (von der Novobranská-Straße aus) der Neorenaissance-Gliederung des Hauptgebäudes anpasst, ist sie auf der Hauptansichtsseite, d. h. von Süden aus, im Geiste des organischen Jugendstils gegliedert. Die fünfaxiale Fassade wird von einem vieraxialen Risalit dominiert, der von konisch geformten Wandabschnitten flankiert und durch ein hohes Walmdach akzentuiert wird. Die stilisierte organische und in Pastellfarben ausgeführte polychrome Stuckdekoration scheint die Fassade zu durchdringen und umrahmt das im Giebel angebrachte und mit einem Glasvordach versehene Gemälde Urteil des Paris, dessen Maler bislang noch nicht bestimmt werden konnten. Obwohl Linder und Schreier keine ausgesprochenen Jugendstilarchitekten waren, schufen sie mit diesem Werk die in Brünn vielleicht konsequenteste Umsetzung des organischen Jugendstils, eine Realisierung der für die frühe Phase des Stils typischen vitalistischen Ausrichtung, an der die Urheber der Stuck- und Malereidekoration einen bedeutenden Anteil hatten. Lange Zeit war ihre Urheberschaft nicht geklärt; man dachte an Hubert Gessner oder sogar an Josef Maria Olbrich, doch erst der Fund eines Artikels aus der Lokalzeitung Tagesbote brachte in dieser Frage Klarheit. Die im Hotel aufbewahrte zeitgenössische Fotodokumentation zeigt, dass man verglaste Metallkonstruktionen an diesem Gebäude in größerem Umfang als bisher bekannt verwendet hatte, was den radikalen Jugendstilcharakter noch steigerte. Der Anbau liegt weit hinter der Straßenflucht, da der Vorplatz als Kutschenstellplatz genutzt wurde (an dieser Stelle befindet sich heute das Gartenrestaurant Le Grand). Um einen bequemen Übergang von der Straße zum Saal im Erdgeschoss des Anbaus zu ermöglichen, wurde ein überdachter Gang gebaut, der auf der Ostseite an das Hotel angrenzt. Der überdachte Korridor bestand aus einer Metallkonstruktion, bei der man viele schmiedeeiserne Zierelemente verwendete und dessen Decke und eine Seitenwand ebenso verglast waren wie das über dem gemauerten Straßenportal angebrachte Vordach. Die Wandfüllung hatte die Form eines Buntglasfensters mit pflanzlichen Ornamenten, die auch die Ränder der Glasdecke schmückten. Ältere Fotodokumente zeigen auch den Grad der Vereinfachung der Jugendstilfassade, an der unter anderem die Inschrift GRAND HOTEL fehlt, die auf der Brüstung unter den Fenstern des dritten Stocks unter dem Gemälde Urteil des Paris angebracht war.

Aleš Filip

Name
Anbau des Grandhotels

Datierung
1901

Architekt(inn)en
Ernst Lindner, Theodor Schreier

Kode
B048

Typ
Restaurant, Café, Hotel

Adresse
Benešova 605/18, (Město Brno), Brno, Střed

GPS
49°11'33.6"N 16°36'46.8"E

Literatur
Pavel Zatloukal, Brněnská architektura 1815–1915. Průvodce, Brno 2006
Jan Sedlák, Brno secesní, Brno 2004


Quellen
https://www.pamatkovykatalog.cz/hotel-grand-19155900
http://www.architektenlexikon.at/de/1343.htm
Moravský zemský archiv v Brně, fond C 11, Sp V 254/1895, Commandit Geselschaft Grand Hotel