„Der Zustand von Loos verschlechtert sich. Eines Tages bittet er mich, ihm ein Stück Papier und einen Blei zu geben. Mühsam, mit zitternder Hand, malt er einen Würfel darauf und schreibt darunter: ,Geboren Brünn, Gestorben Wien.‘ ,Siehst du, Lerle, das ist mein Grabstein!‘ […]Er nimmt ein neues Blatt und zeichnet einen neuen Würfel darauf. Dann drückt er mir die Zeichnung in die Hand und diktiert kurz, sachlich: ,Stein aus grauem Granit, Größe …‘ – Loos denkt eine Weile nach –,,Größe unbestimmt, es kommt darauf an, wieviel Geld da ist …‘“
Obwohl Adolf Loos in den Augen der Architekturliebhaber zweifellos der berühmteste Brünner ist, hat der Magistrat der Stadt Brünn erst im Jahr 2017 entschieden, in Form eines Monumentes an seine Persönlichkeit zu erinnern. Bis zum Jahr 2005 befand sich in Tschechien das einzige Loos gewidmete Denkmal in Liberec in der Voroněžská-Straße vor dem Gebäude der ehemaligen Baufirma Stavoprojekt. Autor des Betonmonumentes ist der Bildhauer Jiří Seifert, der es im Jahr 1981 auf Anregung der Mitglieder des Architekturateliers SIAL schuf. Er verwies auf Loosens Aufenthalt in der Stadt in den Jahren 1885 bis 1888, als er dort die Königliche Staatsgewerbeschule Reichenberg besuchte. In Brünn wurde eine Grasfläche an der Kounicova-Straße als geeigneter Ort gewählt. In der Nähe befand sich früher das Geburtshaus des Architekten, an dessen Stelle in den Jahren 1961–1964 das von Zdeněk Řihák entworfene internationale Hotel Continental emporwuchs. Dort befindet sich auch eine Gedenktafel von Jiří Marek, die an Loosens Geburtsort erinnert, deren Entstehung Řihák gemeinsam mit Bohuslav Fuchs und dem Kunsthistoriker Zdeněk Kudělka initiiert hat. Im Jahr 1965 wurde auch eine Straße in der gerade entstehenden Siedlung Lesná nach Loos benannt. Vom Kulturreferat wurde der Wettbewerb im Dezember 2017 ausgeschrieben, und im August des darauffolgenden Jahres wählte die Jury von insgesamt 63 eingereichten Projekten den Entwurf von Oldřich Morys und Jaroslav Sedlák aus. „Die Jury ist übereingekommen, dass es sich um einen sehr starken Entwurf handelt, der Brünn und Wien als Geburts- und Sterbeorte des Architekten gedanklich miteinander verbindet. Es handelt sich um ein von der Form her charakteristisches konzeptuelles Werk, das gleichzeitig auf raffinierte Weise an Loosens einzigartige Raumlösung, an den sog. Raumplan, erinnert,“ begründete der Stellvertreter für Kultur die Wahl. „Der Denkmalentwurf wird als bildhauerische, aus Beton bestehende Form des auf dem Wiener Zentralfriedhof befindlichen Grabmals von Adolf Loos aufgefasst. Die Grundidee des Wettbewerbsentwurfs ist es, ein Negativ (einen Abdruck) von Loosens letzter Ruhestätte für den Ort zu schaffen, an dem er geboren wurde und aufgewachsen ist. Zusammen mit dem Grabstein würde die Form einen kompakten Monolith-Quader bilden. Zu dieser Konstellation kommt es jedoch nie, da sich der Grabstein in Wien und die Form in Brünn befindet. Allerdings kommt es so zu einer gedachten Verbindung zwischen beiden Orten,“ haben die Autoren des Siegerentwurfs ihre Idee im Begleitbericht erläutert. Die Realisierung wird im Jahr 2020 abgeschlossen sein.
Autor des Entwurfs des minimalistischen Grabsteins in Form eines einfachen Granitquaders mit der Inschrift „ADOLF LOOS“, von dem die Form des Monumentes abgeleitet wurde, war der Architekt selbst. Die Skizzen entstanden wahrscheinlich im Jahr 1931, als sich sein Gesundheitszustand zu verschlechtern begann. Adolf Loos starb am 23. August 1933 im Sanatorium Dr. Schwarzmann in der Wiener Vorstadtgemeinde Kalksburg im Alter von 62 Jahren. Der Grabstein wurde jedoch erst im Jahr 1935 angefertigt und im Wiener Zentralfriedhof aufgestellt, und zwar im Zusammenhang mit der Überführung von Loosens Gebeinen, die im Oktober des vorhergehenden Jahres stattgefunden hatte.
JK