Die Baugeschichte der Brünner Kathedrale zieht sich vom 12. bis ins 20. Jahrhunderts, und jedes Jahrhundert hat seine Spuren an ihr hinterlassen. Die mittelalterliche Bauphase erreichte im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt, als das nach Osten ausgerichtete Gotteshaus auf einer Felsenanhöhe im Zentrum Brünns beinahe bereits seine heutigen Grundrissdimensionen erreichte. Ursprünglich war sie nur dem hl. Petrus geweiht (auch der Hügel, auf dem sie steht, heißt Petersberg), die Erweiterung des Patroziniums auf St. Peter und Paul wird erstmals im Jahr 1378 erwähnt. In den Jahren 1743-1746 erfolgte ein wichtiger barocker Umbau nach den Plänen von Moritz Grimm. Ursprünglich eine Pfarrkirche, bei der Bischof Theoderich von Olmütz 1296 ein Stiftskapitel gründete, wurde sie nach der Errichtung des Brünner Bistums im Jahr 1777 zur Kathedrale. Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums dieses Ereignisses gründete Bischof Karl Nöttig einen Baufonds zur Fertigstellung des Domturms. Der neugotische Umbau des Doms wurde zunächst vom Dombaumeister und Diözesanbaurat August Prokop geleitet, einem Schüler des Wiener Professors und Förderers der Neugotik Friedrich von Schmidt. In den Jahren 1889-1891 wurde das barocke Presbyterium einschließlich der Ausstattung nach einem Entwurf von Prokop regotisiert und das Äußere völlig neu gestaltet, unter anderem mit neugotischem Fenstermaßwerk. Die nächste Phase, die den von Schmidt empfohlenen Bau eines Turms in der Westfassade umfassen sollte, wurde jedoch nicht durchgeführt, da sie von Bischof Franziskus von Sales Bauer abgelehnt wurde – sowohl wegen Platzmangels als auch wegen ihrer Abweichung von der vorherrschenden Typologie der Kathedralen.
Die Entscheidung, den neugotischen Umbau fortzusetzen, fiel 1901 im Rahmen eines Architekturwettbewerbs, an dem 42 Entwürfe teilnahmen. Der Verfasser des Siegerentwurfs mit dem Motto "Super hanc petram" ("Auf diesen Felsen") war der Wiener Architekt August Kirstein, ebenfalls ein Schüler von Schmidt. Laut Ausschreibung sollte das Innere des Doms, insbesondere die Kirchenschiffe, weiter umgestaltet werden, während das Äußere – unter Betonung seiner dominanten Rolle in der Stadtsilhouette – neu gestaltet werden sollte. Die Aufstockung des Turms an der Nordseite des Kirchenschiffs war seit 1877 geplant, paradoxerweise wurde er schließlich jedoch abgesenkt, um nicht mit dem neu errichteten Doppelturm zu konkurrieren. Im Rahmen des Wettbewerbs wurden verschiedene Varianten geprüft, wie die Türme aufzustocken seien, wobei man die gewählte Lösung von Kirstein, die 1904-1905, also bereits während der Amtszeit von Bischof Paul Graf von Huynh umgesetzt wurde, vor allem aus zwei Gründen prämierte: 1) man erhielt den für Kathedralen typischen Doppelturm, wenn auch nicht an der üblichen Stelle der Westfassade, wo dafür wenig Platz gewesen wäre; 2) die Platzierung der Türme an den Seiten des Presbyteriums führte zu einer wünschenswerten optischen Verkürzung seiner Länge. Die überlieferte Behauptung, der Doppelturm sei auf den Fundamenten romanischer Türme aufgebaut, entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Die neue Silhouette des Presbyteriums wurde durch einen Glockenreiter ergänzt. Die neugotische Gestaltung des Äußeren wurde in den Jahren 1906-1908 fortgesetzt: Damals wurden die Fassaden nach Entfernung ihrer Putzschichten mit Sandstein aus Padochov bei Oslavany verkleidet und mit Stein- und Bildhauerelementen aus feinkörnigem Horschitzer Sandstein versehen sowie eine Domherrensakristei gebaut. Die geplante Regotisierung des Innenraums des Kirchenschiffs wurde schließlich aus Geldmangel nicht durchgeführt, was von der Denkmalschutzbehörde dankbar aufgenommen wurde. Die größte Umgestaltung erfuhr die Hauptfassade, die durch ein dreiteiliges Fenster gegliedert ist und von einem Dreiecksgiebel gekrönt wird, vor dem ein Säulenportikus eingefügt wurde. Eine wichtige Rolle wurde hier den Bildhauerwerken zugesprochen, die nach Gipsmodellen des Prager Bildhauers Jan Kastner gefertigt wurden.
Beim Umbau der Kathedrale orientierte sich August Kirstein – unter Betonung von baulicher Klarheit und Erhabenheit – an hochgotischen Vorbildern, wobei er sich mit einigen Elementen, dem Jugendstil annäherte und mit seinem Doppelturm-Entwurf das typische Wahrzeichen des Petersberg und der ganzen Stadt erfolgreich vollendete.
Aleš Filip