Der Eigentümer einer Regenschirmfabrik und Immobilienbesitzer Gustav Weiss und seine Frau Anna beantragten im Herbst 1904 beim Stadtrat die Baugenehmigung für ein Wohn- und Bürogebäude an der Stelle ihres älteren Hauses in der Ferdinandstraße Nr. 9 (heute Masarykova-Str.). Der Neubau des vierstöckigen Reihen-Mietshauses mit Geschäftsparterre wurde von einem bislang unbekannten Architekten entworfen, der zum traditionellen Schema einer symmetrischen Palaisfront griff, das er allerdings umformte und von einem historisierenden Kanon der Zusammenfügung der Baumassen absah, um radikale Formen des geometrischen Jugendstils zu verwenden.
Das Mietshaus wurde mit einer markant strukturierten Straßenfassade mit einem reichen ornamentalen Dekor versehen. Die symmetrisch komponierte Front wird vertikal von einem zentralen, über drei Stockwerke gehenden dreiseitigen Erker hervorgehoben, der im obersten Stockwerk von einer Balkonterrasse mit Pfeilerbrüstung und einem ornamentalen Geländer abgeschlossen wird. In der Achse des Erkers spannt sich die Fassade bis über das unterbrochene Dachgesims in einen zwischen den Seitenpfeilern dynamisch gewellten Giebel, der durch große Öffnungen mit organischen Jugendstilformen offen wird. Horizontalität wird der Fassade hingegen durch die waagerechte Achse der beiden Balkone, die im zweiten Stockwerk an die Seiten des Erkerkörpers anschließen, verliehen. Die von mächtigen Konsolen gestützten Balkone werden von Pfeilerbrüstungen mit teilweise ornamentalem Geländer eingefasst. Die Gliederung der Fassadenflächen erfolgte durch Gesimsabschnitte, Suprafenestren, Brüstungsfüllungen mit Schabracken und durch rustifizierte Lisenen. Die architektonischen Elemente wurden durch zahlreiche Reliefs ergänzt, die zumeist verschiedene geometrische Formen, aber auch stilisierte Kordel mit Quasten, Motive von kleinen Geldstücken und Blüten aufweisen.
Der Autor dieser interessanten Jugenstilarchitektur ist aufgrund fehlender Archivalien, ähnlich wie bei einer ganzen Reihe von vor 1945 entstandenen Brünner Bauten, unbekannt. Das Haus befand sich auch lange nach dem Tod von Gustav Weiss im Jahr 1918 noch im Besitz der Familie, Anna Weiss war noch in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts dort belegt.
In der Nachbarschaft des Hauses wurde ein Jahr nach seiner Errichtung im Jahr 1906 das bekannte modernistische Mietshaus von Stephan Haupt von Buchenrode erbaut, das Leopold Bauer entworfen hat; die dekorativ anspruchsvoll konzipierte Architektur des Jugendstilobjekts von Weiss wirkt neben Bauers markanten Formen bemerkenswert synergetisch.
Aleš Homola