Gegenüber dem Eingang der Brünner Hauptkirche St. Jakob steht seit 1902 das Gebäude des Pfarramtes. Seine Baumasse grenzt einen wichtigen Teil des damals neugegründeten Kirchplatzes in der Straße ab, die diesen kreuzte und vom Freiheitsplatz zum damaligen Deutschen Haus führte. Im Jahr 1899 beteiligte sich der Architekt Germano Wanderley, der den Wettbewerb für das neue Pfarrhaus gewann, an der städtebaulichen Gestaltung der neuen Straße (der heutigen Rašín-Straße). Dem Durchbruch dieser Stadtstraße mussten eine Reihe von Häusern und Straßen weichen, einschließlich dem barocken Gebäude des alten Pfarrhauses von 1710.
Wanderley entwarf ein im Grunde genommen modernes dreiflügeliges Gebäude mit einer abgerundeten Ecke mit einer im Obergeschoss herausgeschnittenen Terrasse. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es die Dominanz der monumentalen gotischen Kirche, die den Architekten dazu veranlasste, dem Pfarrhaus ein neugotisches Aussehen zu geben. An seiner Fassade wurden die Fensterlaibungen mit einer aus Blattkapitellen, Fialen, Blendmaßwerk, Nischen oder Zahnschnitt bestehenden Steinmetzdekoration versehen. Diese Motive werden von zwei Giebeln gekrönt, zwischen denen über den Dächern ein polygonales Türmchen emporragt.
Im Geiste der Neogotik der Jahrhundertwende gestaltete Wanderley auch die meist gut erhaltenen Repräsentationsräume im Inneren. Der das Treppenhaus füllende zentrale Flügel verbindet die Säle und Podeste durch Netzgewölbe, die direkt auf die St. Jakobskirche verweisen, deren Rippen aus den zylindrischen Wanddiensten herauslaufen. Die Gewölbeflächen sind mit einer detaillierten Blumendekorationen verziert. Die Treppe wird von einem ungewöhnlich aufwendig gegliederten Gusseisengeländer von der Brünner Firma Franz Schenk gesäumt. Die stilistische Einheit des Raumes wird durch ornamentale Bodenfliesen aus der in Poštorná ansässigen Lichtenstein’schen Thon- und Ziegelwaarenfabrik unterstützt.
Die Umgebung der St.-Jakobs-Kirche wurde zu einem der wenigen Bereiche des sanierten Brünner Stadtzentrums, in dem in größerem Ausmaß von neugotischer Architektur Gebrauch gemacht wurde. Außer dem Pfarrhaus St. Jakob kann man auf die Gotik verweisende Stilelemente an dem von Maxim J. Montero erbauten Teil der von steilen Giebeln gekrönten Nordfront des Platztes beobachten. Die vor allem auf die deutsche Gotik zurückgehende und vom Jugendstil beeinflusste Architektur könnte nicht nur auf das Alter der Kirche und des Ortes verweisen, sondern auch auf den nationalen Charakter der Stadt Brünn mit seiner damals deutschsprachigen Mehrheit. Darüberhinaus enthielt die Wettbewerbsvergabe für das neue Pfarrhaus die Vorgabe der Stadt, den architektonischen Stil der Kirche zu akzeptieren.
Matěj Kruntorád