Als im Jahr 1870 der erste Frauengesangsverein Vesna entstand war bald klar, dass seine Berufung nicht nur der Gesang sein wird, sondern er auch in der allgemeinen Bildung tschechisch sprechender Frauen eine wichtige Rolle spielt. Besonders dank den Anstrengungen der damaligen Geschäftsführerin des Vereins Eliška Machová kam es im Jahr 1886 zur Gründung einer Fortsetzungsschule für Mädchen, die ab 1899 in der Údolní-Straße ein neues Gebäude hatte. Zehn Jahre danach wurde das entgegengesetzte Ende der Parzelle in der heutigen Jaselská-Straße für den Bau eines Pensionats und einer Gewerbeschule bestimmt (Nr. 7). Im Jahr 1900 wurde auf der Nachbarparzelle ein Mädchenlyzeum gebaut (Nr. 9).
Das mit einer Schule verbundene Pensionat (Nr. 7) hat Antonín Tebich im Stil der tschechischen Neorenaissance entworfen, von dem in Brünn nur sehr ausnahmsweise Gebrauch gemacht wurde. Die Wahl der Stilformen hing zweifellos mit der rein patriotischen Ausrichtung der Bildungseinrichtung zusammen. Erkennbar ist das an der Fassade des Gebäudes mit den durch Gesimse voneinander getrennten Etagen des Gebäudes, deren Flächen im Erdgeschoss bossiert und in den Obergeschossen rustiziert sind. Der zentrale Risalit wird von einem Lünettengesims gekrönt, das ebenso wie die Risalitfläche darunter von einem dekorativen Sgraffiti nach einem Entwurf von Josef Šíma d. Ä. bedeckt ist. Die Lünetten wurden 1897 von Joža Úprka mit flächigen Gemälden von Mädchen in Trachten der Mährischen Slowakei ausgeschmückt, die sich alltäglichen Aufgaben des idealisierten mährischen Landlebens widmen, wie der Handarbeit, dem Tanz und dem Gebet. Úprkas Gemälde finden wir auch in der Aula der Schule und im Mährischen Salon, wo er ebenfalls sein vom Landleben der Mährischen Slowakei inspiriertes Werk umgesetzt hat.
Auch das benachbarte Mädchenlyzeum (Nr. 9) entstand in einem für Brünn untypischen Stil. Die Baupläne wurden von Antonín Pfeiffer, einem Jungen Schüler Kotěras in einem Stil ausgearbeitet, der damals als die Moderne angesehen wurde. Die flache, mit großen Fenstern gegliederte Fassade ziert ein relativ lineares Jugendstildekor, das dem patriotischen Erweckerprogramm der Einrichtung folgte. Zentrales Motiv des Dekors ist die Relieffigur eines geflügelten Genius von Josef V. Pekárek und Mädchenköpfe aus Stuck, heraldische Motive, Monogramme, Hähne und Pfauen von Karel Novák. Die gemalten Friese in den Unterrichtssälen sind das Werk von Jano Köhler.
Die treibende Kraft der Entstehung beider Gebäude war der damalige langjährige Direktor von Vesna František Mareš, eine der zentralen Personen des tschechischen Brünns. Im Jahr 1900 gründete er einen Klub patriotischer Kunstfreunde, der im neuen Gebäude des Lyzeums einen Ausstellungssaal erhielt, in dem die erste Gemeinschaftsausstellung tschechischer Künstler in Brünn stattfand. In dem Klub war eine Reihe von Künstlern tätig, von denen sich einige an der Ausschmückung der Vesna-Gebäude beteiligten – außer dem bereits erwähnten Joža Úprka waren dies z.B. auch Dušan Jurkovič, nach dessen Entwürfen das Mobiliar für das Internat und die Unterrichtssäle hergestellt wurden. Im Gebäude des Lyzeums fand auch die in demselben Jahr gegründete Tschechische Technische Hochschule einen vorübergehenden Zufluchtsort. Heute werden beide Gebäude von der Medizinischen Mittelschule genutzt.
Matěj Kruntorád