Eine der ausdrucksvollsten Jugendstilfassaden in Brünn zeichnet sich durch eine von den Proportionen her perfekt ausgewogene Zusammenstellung des Ganzen sowie durch eine Fülle bemerkenswerter Details und eine besondere Ausdrucksdynamik aus, die durch die Spannung zwischen Geraden und Rundungen, geometrischem und floralem Dekor und durch eine durchdachte Wiederholung der einzelnen Motive erreicht wird.
Die fünfaxiale Fassade des zweigeschossigen Mietshauses besteht aus mit Lisenenrahmen hervorgehobenen Randachsen und einem höhergezogenen dreiaxialen Mittelteil, der von einem deutlich ausgekragtem Dachgesims gekrönt wird. Die beiden dynamisch zu einem Spiel aus konvexen und konkaven Formen geformten Randachsen werden jeweils von einer konvex verjüngten Attika in Form einer Vorhangdraperie abgeschlossen, die von einem Aufsatz mit einem von Kränzen und Bändern umgebenen Wappenschild gekrönt wird. Die ausgeprägte Formgebung der seitlichen Achsen wird um abstrakte geometrische Dekormotive ergänzt, die sich vor allem in den Bereichen über und unter den Fenstern konzentrieren, wobei das dominierende Motiv eine Raute in einem vertieften rechteckigen Feld ist. Im zentralen Teil der Fassade zwischen den Fenstern des Obergeschosses wird die geometrische Stilisierung von einem im Detail durchgearbeiteten Pflanzenmotiv in Form von zwei früchtetragenden Reliefgranatapfelbäumen abgewechselt. Sie sind das optisch markanteste, ein fast „emblematisches“ Element der gesamten Fassade und erinnern an ein Hauszeichen. Unter dem Attikengesims befinden sich zwei Rundmedaillons mit der Jahreszahlangabe "Anno 1908". Die Rundungen der Gesimse über den Fenstern im Obergeschoss entsprechen der Form des die Randachsen krönenden Draperiebogens. Das Rautenmotiv der Fensterbrüstungen erscheint wiederum auch auf den Flügeln der ursprünglichen Eingangstür, die auch ein hohes, für die damalige Zeit typisches „quadriertes“ Türoberlicht aufweist.
Bemerkenswert ist auch das Eingangsportal, das aus einem zusammengedrängten Kreis und einer segmentartigen Archivolte mit kleinem Vordach besteht. Dieses Motiv wird auch bei der Rahmung des segmentartig gekrönten Fensters in der gegenüberliegenden Randachse entsprechend wiederholt. Die Form des den Eingang beschreibenden zusammengedrängten Kreises ist eine reduzierte Ausformung eines typischen Wagnerschen Jugendstilmotivs wie sie beispielsweise in der Loggienform des berühmtesten Brünner Jugendstilpalais Tivoli erscheint.
Als das Haus entstand hat man in seinen kleinen Innenraum zwei Einzimmer- und zwei Zweizimmerwohnungen gepfercht, ohne Bäder und mit WC im Treppenhaus. Im Dachgeschoss befand sich dann noch eine Junggesellenwohnung, die über einen kurzen Laubengang zugänglich war. Es handelte sich also um ein kleineres Mietshaus, das zur Minderung des Wohnungsmangels und nicht als Residenz eines vermögenden Besitzer gebaut worden war. Trotzdem ist die Architektur des Hauses außerordentlich gelungen, was man offensichtlich dadurch begründen kann, dass die parallel verlaufenden und am Platz der Republik endenden Straßen Vranovská und Nováčkova als Stadtstraßen des „neuen Zeitalters“ verstanden wurden, deren Bebauung im Zusammenhang mit der 1912 erfolgten Ernennung des Stadtteils Hussowitz zur Stadt den großstädtischen Charakter der dortigen Architektur zum Ausdruck bringen sollte.
Pavla Cenková