Drei Familiendoppelhäuser

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„In Brünn strengt dies die von Jan Vaněk geleitete Wohnungsgesellschaft an, die in ihrer Praxis die modernen Grundsätze von Le Corbusier und Loos systematisch umsetzt. Dies sind die Prinzipien von Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und des Konstruktivismus als Kontrast zum bisherigen Dekorativismus in der Architektur, die durch die Nutzung neuartiger technischer Errungenschaften und durch die richtige Verwendung des Materialcharakters zu einer Normalisierung, Standardisierung und Typisierung strebt.“
Josef Zamazal, Nové typové domy v Brně, Lidové noviny XXIV, 4. 4. 1926, Nr. 173, S. 17–18, zit. S. 17.

Nachdem Jan Vaněk aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen war, die Leitung der Vereinten kunstgewerblichen Betriebe aufzugeben, gründete er zusammen mit dem Architekten Stanislav Kučera eine neue Firma. Die Wohnungsgesellschaft Standard (Standard bytová společnost, S. B. S.) war neben der Möbelproduktion auch auf Planungstätigkeiten ausgerichtet. Einer der ersten Anfänge war die Realisierung der Familiendoppelhäuser in der Alešova-Straße im Brünner Stadtteil Schwarzfeld (Černá Pole), und zwar einschließlich der Innenausstattung. Architekt Kučera (bisweilen wird auch Jaroslav Grunt unter den Autoren aufgeführt, dessen Name auf den Plänen aber fehlt) variierte in diesen Entwürfen das Prinzip des sog. Hauses mit einer Mauer, das sich Adolf Loos im Februar 1921 in Wien hatte patentieren lassen. In der Praxis verwendete er es – in Zusammenarbeit mit den Architekten Hugo Mayer und Margarete Schütte-Lihotzky – in den Jahren 1923–1924 für den Bau der Reihenhäuser in der Wiener Siedlung Heuberg, und zwar in der Zeit, als er Chefarchitekt des Siedlungsamtes der Stadt Wien war. Loosens Häuser sind heute nur noch teilweise erhalten.
Die einstöckigen unterkellerten Doppelhäuser in der Alešova-Straße waren ursprünglich für die Serienproduktion bestimmt und sollten sich deshalb in Form und Wirtschaftlichkeit durch eine Reduktion auszeichnen – jedoch hat der Preis die veranschlagten Kosten letztendlich überstiegen. Das Haus in der Alešova-Straße mit der Konskriptionsnummer 32 hat sich Jan Vaněk direkt selbst errichten lassen. Die Bauten waren als einfache, aneinander anschließende Kuben auf einem spiegelbildlichen Grundriss konzipiert, deren Einfachheit von der glatten Fassade unterstrichen und nur von Vordächern und erhöhten Seitenwänden, die eine tragende Funktion haben, verletzt wird. Konstruktionsmäßig handelte es sich um experimentelle Bauten, die von Loosens Konzept des Hauses mit einer Wand abgeleitet waren – die tragenden Wände sind in die Höhe gezogen, die übrigen Wände sind freitragend und bestehen aus einem Holzskelett mit Ziegelsteinausmauerung. Die Eingänge befinden sich entweder zur Straße hin oder an der Seitenfassade (gemäß Typ „M“ oder „N“).
Interessant ist auch das Konzept der Innenraumlösung. Das Erdgeschoss war für Wohnzimmer, Küche, Toilette und eine Kammer bestimmt; der über eine subtile Treppe zugängliche erste Stock war zwei oder drei Schlafzimmern und dem Bad vorbehalten. Die aus losen und aus Einbaumöbeln bestehende Einrichtung wurde zweckgebunden bis minimalistisch entworfen. Die Einbauschränke im ersten Stock hatten sogar eine trennende Funktion – sie ersetzten die Wand zwischen Bad und Schlafzimmer, wodurch Platz gespart wurde. Die Beheizung erfolgte nach englischem Vorbild durch einen Kamin in der Halle. „Es ist im Grunde genommen die gesunde Industrialisierung eines Produktionsprozesses, der im krassen Widerspruch zur individuellen Willkür steht,“ hat Josef Zamazal im Jahr 1926 die Anlage der Häuser zusammengefasst.

                                                                                                                                     JK