„An den [Hoch]Schulen für Baumeister und Architekten sollten nur solche Schüler angenommen werden, welche das Maurer-, Tischler- oder Steinmetzgewerbe nach den neuen Vorschriften gelernt haben. Um an den Schulen angenommen zu werden, unterziehen sich die Schüler einer Intelligenzprüfung. […] Das Baufach an den Staatsgewerbeschulen wird abgeschafft.“
Adolf Loos, Richtlinien für ein Kunstamt. Směrnice úřadu pro podporu umění. Sonderdruck aus Nr. 62 „Der Friede“, herausgegeben von Adolf Loos (mit zusätzlichem Artikel von Arnold Schönberg über die Musik) im Jahr 1919 im Verlag Richard Lanyi in Wien, in: idem, Ins Leere gesprochen Řeči do prázdna. Soubor statí o architektuře, bydlení, ústroji a jiných praktických věcech, které uspořádal dr. Bohumil Markalous, Praha 1929, S. 170–200, zit. S. 181.
An der K. k. deutschen Staatsgewerbeschule Brünn verbrachte Adolf Loos das letzte Schuljahr, das er dort im Jahr 1889 mit Ablegung der Abiturprüfung abschloss. Die Schule hatte damals ihren Sitz in der Elisabethstraße (heute Husstraße). Dort besuchte er in den Jahren 1874–1890 den Unterricht, danach siedelte die Gewerbeschule in einen Neubau am heutigen Platz des 28. Oktobers. Nach einem verlegenen Besuch der Gymnasien in Brünn, Iglau (Jihlava) und Melk visierte Loos sogar ein Studium im Baufach an – in den Jahren 1885–1888 besuchte er die Königliche Staatsgewerbeschule in Reichenberg (Liberec), von wo aus er wieder nach Brünn wechselte.
Die Brünner Gewerbeschule war seinerzeit eine Garantie für eine qualitätsvolle Ausbildung. Davon zeugt sowohl die Zusammensetzung des Lehrerkollegiums, als auch eine Reihe ihrer Absolventen, die später in die Geschichte der Architektur eingingen. An der Schule unterrichtete beispielsweise der Architekt Alois Prastorfer (1846–1910), der als Autor des Brünner Zentralfriedhofs oder des Hauses mit dem Atelier des Bildhauers Johann Tomola in der heutigen Hybešova-Straße bekannt ist; Loosens Klassenlehrer war Germano Wanderley (1845–1904), ein Architekt brasilianischer Abstammung, der eine ganze Reihe von Mietshäusern realisiert hatte, darunter auch die Fassade des sog. Hauses der vier Lümmel, oder das Pfarreigebäude bei St. Jakob in Brünn. Zu Loosens berühmten Mitschülern gehörten die gebürtigen Mährer Leopold Bauer, Hubert Gessner und der einstige erfolglose Mitschüler aus Iglau Josef Hoffmann. Hoffman hat in seinen Erinnerungen festgehalten: „Nach einigen Kämpfen wurde mir, da ohnehin nicht mehr viel von mir zu erwarten war, gestattet, nach Brünn zu gehen und dort an der weit und breit angesehenen Staatsgewerbeschule das Baufach zu erlernen. […] In der Schule ging es Gott sei Dank gut, und ich konnte wieder etwas Mut schöpfen.“
Loosens Studium an der Gewerbeschule in Reichenberg dokumentiert eine bemerkenswerte Reihe technischer Zeichnungen und Studien zum (von dem Architekten später verworfenen) Ornament, die heute in der Wiener Albertina aufbewahrt werden. In Brünn müssen wir uns mit Halbjahreszeugnissen und einer Abiturbewertung zufriedengeben (vier ausreichend und zwei befriedigend, Gesamtbewertung ausreichend), die von einem ständigen persönlichen Kampf mit dem Bildungssystem zeugen. Den eingeführten Trend setzte Adolf Loos dann auch während seines Besuchs der Hochschule fort. Das von einem freiwilligen Militärdienst unterbrochene Architekturstudium am Königlichen Sächsischen Polytechnikum (1889–1890 und 1893) hat er letztendlich nicht abgeschlossen.
JK