„[Bohumil Markalous] war der Schöpfer der Verbindung der beiden Begriffe Wohnen und Kultur; kurz Wohnungskultur, einen solchen Namen gab er der Zeitschrift für die Möbelfirma Vaněk in Brünn, die er gründete und um sie die besten Architekten jener Zeit herum versammelte, besonders hat er auch seinen Freund, den berühmten Adolf Loos hergeholt.“ Helena Šmahelová, Vzpomínky na Jaromíra Johna, Praha 1979, S. 30.
„Adolf Loos ist Mitarbeiter unserer Revue [Bytová kultura] und der Vereinten kunstgewerblichen Betriebe, mit denen er zur Zeit den Umbau und die Innenausstattung des Sitzes des Großindustriellen Dr. Viktor Bauer in Brünn besorgt. Er hat keine klangvollen Titel und lehnt auch den Titel Architekt als eine von der Zeit diskreditierte Bezeichnung ab.“ Bohumil Markalous, Pracovníci naší doby. Adolf Loos, Bytová kultura I, 1924–1925, Nr. 4–5, S. 60–61, zit. S. 61.
Die sich nach dem Ende des ersten Weltkriegs einstellende Hochkonjunktur im Baugewerbe brachte neue Herausforderungen mit sich, die mit der Suche nach einem adäquaten architektonischen Ausdruck des jungen ambitionierten Staates verbunden waren. Auch von der Möbelindustrie wurden diese Veränderungen reflektiert. Hauptvertreter der progressiven Tendenzen im Bereich des Innenraumdesigns wurde in den zwanziger Jahren Jan Vaněk. Im Jahr 1922 schloss er die eigenen Kunstgewerblichen Werkstätten in Třebíč mit der Brünner Tischlerfirma von Karel Slavíček und dem Polsterbetrieb von František Plhoň aus Černá Hora zusammen, wodurch die Vereinten kunstgewerblichen Betriebe mit sechshundert Beschäftigten entstanden. Büroräume, Verkaufsraum und Showroom der Vereinten kunstgewerblichen Betriebe hatten ihren Sitz in der Brünner Straße Masarykova 31. An der Spitze der Aktiengesellschaft stand bis Anfang 1925 Jan Vaněk. Aufgrund schlechter Wirtschaftsergebnisse wurde er vom Vorstand abberufen und gründete seinen eigenen Produktionsbetrieb. Daran hatte auch der Architekt Adolf Loos seinen Anteil. Vaněk hatte ihn nämlich im Mai 1924 als Firmenvertreter der Vereinten kunstgewerblichen Betriebe in Paris beschäftigt, wohin der Architekt damals umgezogen war. Jedoch wurden nur sehr wenige Verträge abgeschlossen, und Loosens Engagement war für die Firma ein Verlustgeschäft.
Vaněk war ein Visionär. Es ging ihm vor allem um die Produktion von modernen, qualitativ hochwertigen und was Form und Herstellung betraf gleichzeitig wirtschaftliche Erzeugnisse, die sich dank einer Typisierung serienmäßig herstellen und zu annehmbaren Preisen verkaufen ließen. Ein hoher Standard sollte auch durch die Autoren der Entwürfe – durch zeitgenössische Architekten – garantiert werden. Die Absicht bestand darin, den Bedarf der damaligen Haushalte zu definieren und zu decken und dabei die Ästhetik des ausklingenden Historismus abzustreifen. Zu diesem Zweck entschloss sich Vaněk im Jahr 1924 dazu, die Revue Bytová kultura (Wohnungskultur) ins Leben zu rufen, in welcher Aspekte der modernen Architektur und damit zusammenhängende Fragen im europaweiten Maßstab vorgestellt würden. Die Ziele sind zwar restlos erfüllt worden, jedoch ist die Zeitschrift nach nur einem Jahr eingegangen (es erschien lediglich der Jahrgang 1924/1925). Chefredakteur der Revue wurde Bohumil Markalous, der sich nach seiner Rückkehr aus Frankreich als Redakteur der Tageszeitung Lidové noviny (Volkszeitung) in Brünn niederließ. Die Meinungsnähe zum Konzept der Revue Wohnungskultur, die auch in deutscher Version erschien, hat auch den Architekten Adolf Loos im Jahr 1924 nach Brünn gelockt, dessen schneidige Beiträge zum Thema modernes Wohnen bereits Berühmtheit erlangt hatten. Ab der sechsten Nummer wurde der Redaktionsrat vergrößert, und zwar um Ernst Wiesner und um Loos, dem auch einige seiner Texte in Übersetzung und eine Kurzbiographie über ihn abgedruckt wurden. Ungefähr ab 1922 fuhr Loos, der seiner Geburtsstadt aufgrund des schlechten Verhältnisses zur Familie eher ausgewichen war, wegen des Auftrags, den Familiensitz des Brünner Unternehmers Viktor Bauer jun. zu sanieren, regelmäßig nach Brünn. Im Jahr 1924 lieferte Vaněks Firma zu diesem Auftrag dann Fenster, Einbaumöbel und weitere Accessoires.
Die Vereinten kunstgewerblichen Betriebe haben beispielsweise die von Loos entworfenen Zuglampen in die Produktion eingeführt, die nach Vaněks Verlassen der Firma ab 1926 von dessen weiterem Betrieb Wohnungsgesellschaft Standard (Standard bytová společnost; S. B. S.) hersgestellt wurden. Dort wurden dann auch Loosens Polstersessel in Serie produziert. Im Jahr 1929 erhielt Vaněk für die Firma S. B. S. den Auftrag für die von Loos für die Villa Müller in Prag entworfenen Möbel, und im Jahr 1930 auch für die Inneneinrichtung der Villa Tugendhat. In der Revue Wohnungskultur publizierte auch Giuseppe de Finetti, ein ehemaliger Schüler von Loosens Schule für Architektur. In seinem Beitrag über Trends in der Einrichtung von Hotelzimmern verwendete er Loosens berühmten Entwurf des sog. Hotelstuhls zur Illustration, dessen Lehne von der Form eines Kleiderbügels abgeleitet war: „Die Beobachtung, dass dieser Stuhl abgesehen davon, dass er zum Sitzen dient, in zahllosen Fällen auch zum Ablegen von Mänteln dient, brachte ihn dazu, die Lehne so abzuändern, dass sie ein Aufhängebügel sei. (…) Und dieser schlaue Geist, der in dieser Sache eigentlich etwas ähnliches wie das ,Ei des Columbus‘ schuf, fordert nur, dass ein solcher Stuhl nach seinem eigenen Namen benannt werde: Loos.“ Dieser Stuhl ging freilich nie in die Serienproduktion, und offenbar existierte er nur als Entwurf. Grund dafür könnte Loosens eigene Unzufriedenheit über die Ausführung gewesen sein – es ist bekannt, dass er die Anfertigung von Kopien nach alten, vor allem britischen Vorlagen bevorzugte. „Einzelne Möbelstücke betrachtete er als Installationsobjekte, er zeichnet sie nicht selbst. Einen Stuhl hat er gezeichnet. Er präsentiert ihn in seiner Wiener Wohnung als schlechtes Beispiel,“ schrieb Jan Víšek im Jahr 1931 in einer Rezension zu einer Monographie des Architekten.
JK