Verwaltungs- und Betriebsgebäude Ingstav

D162
Das Verwaltungs- und Betriebsgebäude des staatseigenen Bauunternehmens Ingstav gesellt sich ohne die geringsten Zweifel zu den bedeutendsten Realisierungen in der Tschechoslowakei der sechziger Jahre und im Grunde genommen der gesamten Nachkriegszeit. Die Studie dazu wurde im Jahr 1968 von dem Brünner Architekten Ivan Ruller ausgearbeitet, der kurz zuvor an den Innenräumen des Janáček-Theaters bzw. an den Entwürfen für die Lehranstalt des Unternehmens Slovnaft in Bratislava gearbeitet hatte. Das auf ausländische brutalistische Tendenzen und die modernistische Geschichte Brünns reagierende Bürogebäude wurde zwei Jahre später im Jahr 1970 fertiggestellt. Das in dichter Nähe des ausgelasteten Straßenzugs der Wiener Straße (Vídeňská) gelegene Ingstavgebäude ragte dank seiner konstruktionsmäßigen und technologischen Innovation und durchgearbeiteten Dispositionslösung, der kreativ abgehandelten Fassadenmassen und der natürlichen Einbindung von Kunstwerken im Innen- und Außenbereich hervor.
Das vierstöckige rechteckige Objekt mit dem leicht in die Erde eingelassenen Erdgeschoss wird durch die gefärbten doppeltverglasten, an den Ecken geschwungenen Fassaden charakterisiert. Mit der klaren Vision von schallgedämmten Büroräumen in der Nachbarschaft einer belebten Verkehrsstraße sowie mit der Absicht, gute klimatische Arbeitsbedingungen zu schaffen, setzte Ruller vor die Stahlkonstruktion des Hauses eine weitere, komplett verglaste freitragende Fassade, die lediglich durch subtile Aluminiumprofile gegliedert wird. Beim Einblick von außen erzielte er dadurch einen leicht plastischen Effekt bei gleichzeitiger Beibehaltung einer ausdrucksvollen Transparenz insgesamt. Das letzte Stockwerk des Gebäudes, in dem sich die Büros der Direktoren, von hochgestellten Beamten und ein Sitzungsraum befanden, ist gegenüber den übrigen Stockwerken leicht eingerückt und wird von den hervortretenden Aluminiumlamellen rhythmisiert. Zu den visuellen Feinheiten und der Glätte der Hauptfassaden bilden die ergänzenden Wegeelementen einen kontrastierenden Bezug – an der Nordseite die Feuertreppe aus Beton mit einer dominanten, den Treppenarm abtrennenden hohen Wand oder der mächtige Mauerblock im Osten, wohin der Architekt die Verbindungstreppe, die sanitären Einrichtungen, die Garderoben bzw. das Archiv hinausführte. Die Repräsentativität der gestalterischen Lösung des Haupteingangs von der Straße her in Höhe des ersten Stockwerks wird von einer massiven, hervortretenden Beton-Stahl-Markise akzentuiert, die von dem Bildhauer Milan Buřival entworfen wurde.
Die Verwaltungsräume des Ingstavgebäudes im zweiten und dritten Stockwerk entwarf Ivan Ruller in Form von großflächigen Büroräumen, die sich über die gesamte Länge des ganzen Stockwerks ziehen. Darüberhinaus wurden sie kreativ zu selbständigen, unregelmäßigen kleineren Formationen untergliedert, die durch Paravents oder Grünpflanzen voneinander abgetrennt sind, damit es zu keiner allzu großen Entmenschlichung des Arbeitsplatzes komme. Ein vergleichbares Format offener Büroräume war in den sechziger Jahren in der Tschechoslowakei ungewöhnlich und basierte auf der Kenntnis der Disposition des Verwaltungsgebäudes der Firma Baťa in Zlín von Vladimír Karfík aus dem Jahr 1938, aber auch des gleichzeitigen deutschen Konzeptes einer Bürolandschaft. Die kleinere Führungsetage des Ingstavgebäudes hatte hingegen die Form von traditionell gelösten, selbständigen abgetrennten Räumen.
Ebenso wie bei seinen übrigen Projekten hat Ivan Ruller auch im Falle des Ingstavgebäudes intensiv mit herausragenden bildenden Künstlern zusammengearbeitet. Ihre Werke sollten das Eingangsfoyer (Holzrelief mit polychromer Fassung von Zdeněk Macháček und Pavel Navrátil), das Büro des Direktors (Holzreliefwand von Vladimír Preclík und ein Gemälde von Jánuš Kubíček) und die Großraumbüros (Zierbeiwerk und Keramik von Božena Matalová) harmonisch ergänzen. Anstelle der ursprünglich geplanten Außenraumplastik von Eva Kmentová und Olbram Zoubek wurde für den Haupteingang schließlich lediglich ein vertikales Werk aus Beton verwendet, an dem Ruller gemeinsam mit seinem langjährigen Kollegen Milan Buřival beteiligt war.
Der frühere Unternehmenssitz von Ingstav dient bis heute als Büroobjekt und beherbergt seit 1993 die Firma LCS Business centre. In der Nachwendezeit wurden jedoch eine ganze Reihe von Abänderungen durchgeführt. Die originale Ausstattung des seinerzeit einzigartigen Konzeptes der über das ganze Stockwerk gehenden offenen Verwaltungszonen ist verschwunden, die ursprüngliche Glasfüllung der freitragenden Fassaden wurde durch eine neuere, dunkler getönte ersetzt. Die Gebäudeaußenseite und seine unmittelbare Umgebung sind heute überladen mit visuellem Werbesmog. Die gesamte Baumassenlösung des Hauses, die skulpturale Fluchttreppe aus Beton, die Travertinverkleidung des Erdgeschosses und die vorgesetzten Verbindungswegetürme sind zusammen mit der Außenraumplastik bis in die heutigen Tage erhalten geblieben und legen immer noch genauso überzeugend Zeugnis von der außergewöhnlichen Durchdachtheit und Qualität von Rullers Entwurf ab. 
 

KE 

Name
Verwaltungs- und Betriebsgebäude Ingstav

Datierung
1968 – 1970

Architekt
Ivan Ruller

Künstler
Bohumír Matal

Kode
D162

Typ
Verwaltungsgebäude, Mehrzweckgebäude

Adresse
Vídeňská 546/55, (Štýřice), Brno, Střed

Öffentlicher Verkehr
Celní (TRAM 2, 5, 6)

GPS
49.1801228N, 16.5955700E

Quellen
https://pamatkovykatalog.cz/administrativni-a-provozni-budova-ingstav-18649508