Grabmal der Familie Rabas (Brno, Zentralfriedhof, Gruppe 1, Grab Nr. 139), 1920, Travertin, Bronze, signiert: A. LOOS.
Das künstlerisch und architektonisch anspruchsvollere Grabmal der Familie Rabas hat das Aussehen einer Todespforte (Pforte zur Ewigkeit), die von einem vor ihr knieenden trauernden Jüngling symbolisch geschlossen wird. Das symmetrisch komponierte Grabmal ist wie ein leicht konisches Protal konzipiert, das aus einem einfachen Architrav aus Travertinblöcken besteht, welche die Bronzetür mit einem runden Türklopfer umrahmen. Die nicht signierte Bronzeplastik des Jünglings, der gebeugt und knieend die Todespforte schließt, ruht auf zwei Stufen zwischen quaderförmigen Sockeln mit Bronzelampen in Form eines antiken Tempels (die Lampen sind heute entfernt).
Die Plastik des Jünglings, eine häufig verwendete Skulptur der Sepulkralkunst, ist ein Werk des österreichischen Bildhauers August Rantz (1872–1960), der für sie im Jahr 1904 auf der Weltausstellung in der amerikanischen Stadt St. Louis mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde. Ein fast identisches Grabmal einschließlich der Grabarchitektur befindet sich auf dem Grazer Friedhof und auch auf dem städtische Friedhof in Opava (Grab der Familie Rotter-Salzborn, von dem die Plastik des Jünglings im Jahr 2008 jedoch verschwunden ist). Rantzens Plastik ist auch das zentrale Motiv des monumentalen Grabmals von Heinrich Schaub auf dem Leipziger Südfriedhof (Architekt Emil Franz Hänsel).
In der Vergangenheit wurde das Grabmal der Familie Rabas in der Fachliteratur dem Werk des Architekten Adolf Loos zugeschrieben, jedoch handelt es sich dabei um das Paradebeispiel eines reich ausgestatteten Grabmals des höheren Standards aus der Produktion des Steinmetzbetriebs der Mutter des Architekten Marie Loos. Es existiert kein einziger Beleg darüber, dass der Architekt Adolf Loos jun. an den Aufträgen der Firma seiner Mutter, zu der er ein sehr kühles persönliches Verhältnis hatte, in irgendeiner Weise beteiligt gewesen wäre.
In den ersten Jahren der selbständigen Existenz verwendete der Betrieb unter der Leitung von Marie Loos die Signaturen Adolf Loos’ W(it)we (Brünn), oder Adolf Loos-W(it)we (Brünn), später kehrte sie jedoch zum bewährten Markenzeichen A(dolf) Loos (Brünn/Brno) zurück. Mit dem Namen Adolf Loos sind auch zahlreiche Realisationen signiert, die erst eine Reihe von Jahren nach dem Ableben des Firmengründers Adolf Loos sen. (†1879) entstanden waren, wovon wir uns auch bei dem Grabmal der Familie Rabas überzeugen können.
Marie Loos hatte außer Sohn Adolf noch zwei Töchter, die beide vorzeitig verstarben: Hermine blieb ledig und kinderlos. Die ein Jahr ältere Marie-Irma heiratete Albert Pirschl, deren Ehe jedoch bald geschieden wurde. Marie-Irma wurde am 24. 8. 1894 der einzige Sohn Walter geboren. Im Jahr 1915 bat Marie Loos ihren Sohn, den Architekten Adolf Loos darum, er möge ihren einzigen Enkel Walter adoptieren, damit der Name Loos auf diese Weise in der Firmenleitung erhalten bliebe. Adolf Loos ist dem Wunsch seiner Mutter nachgekommen und seinen Neffen tatsächlich adoptiert und ihm seinen Namen gegeben. Im April 1916 erteilte Marie Loos Walter Loos, der gleichzeitig die Volljährigkeit erlangte, eine Vollmacht zu allen den Betrieb betreffenden Rechtshandlungen.
„Im Jahr 1921 taucht eines Tages ein junger Mann mit hellem Haar bei uns auf. Es ist Walter. Er kommt mit der Nachricht. Die Mutter ist sehr krank. Sie hat keine Angst vor dem Tod, hat jedoch Angst zu sterben, ohne Walter und sein Erbe zu abzusichern. Ihren Sohn hatte sie zwar enterbt, trotzdem könnte er die Gültigkeit des Testaments anfechten, wenn die Mutter einmal tot sein wird. Deshalb bietet sie ihm eine Abfindung in Höhe von 10 000 tschechischen Kronen an, wenn Loos unterschreibt, dass er Walters Erbe nicht in Frage stellt. Die Mutter will den Sohn nicht sehen. Eine Reise nach Brünn wäre überflüssig. Und so unterschreibt Loos die Erklärung, dass er auf die Ansprüche auf das Erbe der Mutter verzichtet. Kurz darauf stirbt die Mutter und nimmt ihren Hass mit ins Grab. Loos geht nicht zur Beerdigung. Von seiner Mutter hat er nie mehr gesprochen.“ (Elsie Altmann-Loos, Můj život a Adolf Loos, Praha 2014, S. 24).
Im Falle des Grabmals der Familie Rabas hat seine Entstehung im Zusammenhang mit den verwandtschaftlichen Beziehungen zu Walter Loos erfolgen können, der damals die Steinmetzfirma seiner Großeltern bereits selbst geleitet hat. Das Grabmal entstand nämlich nach dem Tod des Ingenieurs und Baumeisters Heinrich Rabas (*1847, † 20. 7. 1920), dessen Firma Rabas, Kosina und Weiner in den Jahren 1908‒1912 die Talsperre Bystřička in der Nähe der Stadt Valašské Meziříčí gebaut hatte, die mit ihren Parametern den Höhepunkt des Wasserbaus darstellte. Die damalige Ehefrau von Walter Loos Marie, geborene Toifl, war die Tochter einer Cousine von Julia Rabas, der Witwe von Heinrich Rabas.
PC