Mietshaus von Benedikt Škarda

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Das mitten im Stadtzentrum auf einer im Zuge einer Sanierung freigewordenen Parzelle gelegene Mietshaus ließ sich der Besitzer der größten Brünner Glasfabrik Benedikt Škarda (1840‒1912) von seinem Freund, dem Architekten Dušan Samo Jurkovič entwerfen. Škardas Firma konzentrierte sich vornehmlich auf die Herstellung von Mosaiken und Buntglasfenstern. Škarda hat regelmäßig mit Jurkovič zusammengearbeitet und lieferte die Glaskomponenten für dessen Bauten: Von ihm stammt unter anderem das Mosaik an der Fassade von Jurkovičs eigener Villa im Brünner Stadtteil Žabovřesky. Die gemeinsame Zusammenarbeit des Architekten und des Glasmachers kam auch an der Fassade sowie in den Innenräumen von Škardas Haus zum Ausdruck, wo Jurkovič insbesondere Glasmosaike und Buntglasfenster in Fülle verwendete. Das Haus wurde damit zu einer Art „Aushängeschild“ von Škardas Glasfirma.
Die Fassade des vierstöckigen Reihengebäudes ist deutlich vertikal orientiert und fwird von einem hohen Volutengiebel gekrönt. Hinsichtlich der Grundformgebung hat sich Jurkovič hier von Edmund Olbrichs Haus in Opava inspirieren lassen können, das 1904 von dem in Wien tätigen berühmten Architekten Joseph Maria Olbrich für dessen Bruder entworfen wurde.
Die Grundgliederung der Fassade ist streng geometrisch: vertikal ist sie in drei Achsen gegliedert und horizontal in drei deutlich voneinander getrennte Zonen. Das rechtwinklige Raster der horizontalen und vertikalen Gliederung wird durch die geschwungene Linie des Giebels und den konvex gewölbten Erker, der in der Mittelachse drei Stockwerke miteinander verknüpft, abgemildert. Dominantes Element ist der durchgehende Balkon über dem 3. Stock mit einer geschwungenen, die Wölbung der Mittelachse kopierenden Brüstung. Neben der Sockelzone und der dreistöckigen Beletage hat das Haus so noch eine über dem durchgehenden Balkon liegende hieratisch höchste Zone. Für Jurkovičs Werk charakteristisch sind sog. „Quadratfenster“ mit typischem kleinen Oberlichtraster im oberen Teil der rechteckigen Fenster.
Am zentralen Teil der Fassade wurde ein dunkler grau-grüner, grob strukturierter Putz aufgetragen, dessen Fläche durch farbige Bordüren aus geometrischen Glasmosaiken belebt wird, die aus gebänderten vergoldeten Mosaiksteinen bestehen und von länglichen, leuchtend grünen Elementen ergänzt werden, die an stilisierte Blätter und kleine weiße Rauten erinnern. Das bunte Glasmosaik eines stilisierten Blumenornaments bildete ursprünglich auch die Füllung der quadratischen Rahmen der Balkonbrüstung und leider jedoch zerstört wurde. Das Erdgeschoss war ursprünglich mit schwarzen Steinplatten verkleidet, die mit Nägeln befestigt waren. Ein ähnliches technisches Detail stellen den Erker stützenden Volutenkonsolen aus Metall dar.
Glaselemente sind auch eine dominante Zierkomponente im Interieur, wo der ursprüngliche schwarzweiße Plattenfußboden und das Gussgeländer der Wendeltreppe erhalten geblieben ist. Die Oberlichter der Eingangstür und der Tür des Vestibüls tragen Buntglasfenster mit Blütenmotiv, die gegliederten Gussfenster des Treppenhauses werden von Buntglasfenstern mit im Detail ausgeführten böhmischen Dorflandschaften in ovalen Kartuschen dekoriert, die von einem mit Bändern versehenen Kranz und von Kompositionen des geometrischen Jugendstilornaments umrahmt werden.
Der Gesamteindruck des Hauses, dessen Fassade als die schönste in Brünn bezeichnet wurde, präsentiert eine Verlagerung von Jurkovičs Schaffen von der Volkskunde hin zu den damals aktuellen Formen des mitteleuropäischen geometrischen Jugendstils.
Benedikt Škardas Familie hat das Haus nur kurz besessen. Als das Haus gebaut wurde starb Škardas Frau Julie (1842‒1908). In den Jahren 1909‒1910 war sein Sohn Eugen Škarda der Eigentümer, und im Jahr 1911 wurde es von Rosalie Mautner käuflich erworben.
Die qualitativ hochwertige Architektur von Škardas Mietshaus stellt eines der individuellsten und kultiviertesten Beispiele der modernistischen Umbauphase des historischen Kerns von Brünn dar. Bis heute wird es noch als Mietshaus mit einem Geschäftsparterre genutzt, dessen Schaufenster und Türfüllungen vor kurzem erneuert wurden. Im Unterschied zum Rest der Fassade, die wegen ihrer Authentizität nach einer sensiblen Denkmalsanierung ruft.

Pavla Cenková