Mietshaus von Theodor Veselý

B097

In der Nähe der Mündung der lebhaften Straße Veveří in den Zierotinplatz (Žerotínovo náměstí) entstand 1905 eines der markantesten Objekte des Brünner Jugendstils. Bauherr des Hauses war der Baumeister Theodor Veselý. Bislang ist jedoch unklar, wer diesen bemerkenswerten Bau entworfen hat, der sowohl hinsichtlich seiner Höhe als auch visuell deutlich über die zwei direkten Nachbarhäuser herausragt. Als am der Errichtung des Baus beteiligter taucht in der Literatur der Name des Baumeisters Karel Kletzel auf, bei dem es sich um einen Sohn des Tischlermeisters und Großhändlers Thedor Kletzel handelte. Karel Kletzl wurde allerdings erst 1893 geboren, und auch sein älterer Bruder Jan Vladimír Kletzl (1885) war zur Bauzeit des Hauses erst zwölf Jahre alt, weswegen diese Hypothese nur schwer annehmbar ist.
In der Straße Veveří entstand 1905 de facto ein Doppelhaus. Die langgestreckte rechteckige Parzelle wurde fast ganz von zwei dem Grundentwurf nach spiegelverkehrt komponierten, vierstöckigen Häusern mit mächtigen Hofflügeln genutzt, die durch einen Vebindungsgang miteinander verbunden sind.
Das zur Straße gewandte Objekt wurde mit einer sehr originellen dekorativen Fassade versehen. Die symmetrisch entworfene Front wurde in zwei Zonen unterteilt: in ein horizontal komponiertes Parterre, das von einem breiten Band der doppelten Linie eines Kordon- und Fenstergesims des ersten Wohnstockerks abgeschlossen wird, und in eine vertikal ausgerichtete, tektonisch im Grunde genommen flache Fassadenfläche in den Obergeschossen. Die Vertikalität wird noch durch das einzige markante plastische Element in Form eines leicht segmentartig gewellten Erkers gesteigert, der das zweite und dritte Stockwerk miteinander verbindet. Der von einer Balkonterrasse gekrönte Erker wird von zwei Lisenen umschlossen, deren Höhe an den Seiten einen Segmentgiebel rahmen. Das standardmäßige Dachgesims wurde dabei durch die Eisenkonstruktion eines von Konsolen gestützten Glasvordachs ersetzt. An der Straßenfassade ist die künstlerische Behandlung der flachen Partien bemerkenswert. Die Fassade wird durch die organisch konvex-konkaven Formen der in grobkörnigem und glattem Putz ausgeführten Jugendstilornamentik gegliedert, die durch ganz konkrete Bilder ergänzt werden – oben werden reliefierte Wolkenhaufen von den Strahlen plastisch anthropomorhisierter Sonnen durchbohrt, darunter durchziehen stilisierte wellenförmige Wolkenbögen ferner Horizonte die Fassade, währed die Fensteröffnungen von einem Reliefdekor in Form von Ranken und Schlingpflanzen begleitet werden. Das zentrale, zurückgesetzte Portal von rechteckiger abgerundeter Form ist von einer konvex-konkav geformten Aussparung umgeben und wird oben von einem weligen Gesimsabschnitt gerahmt. In der Aussparung wird der Eingang von einer reliefierten Landschaftsszenerie mit zwei weitausladenden und sonnenbestrahlten Baumkronen gesäumt. Der den Erker abschließende Terrassenbalkon wurde hingegen mit einem dekorativen Schmiedegeländer mit dem Motiv stilisierter Pflanzenranken versehen.

Das reiche Gestaltungsprogramm der Fassade wurde noch durch zahlreiche vegetabile und abstrakte Ornamente zu einer außerordenltich vielfältigen und dynamisch wirkenden Gesamtform ergänzt. Im Interieur des Hauses ist dann eine Reihe von Originalelementen erhalten geblieben: dekorative Geländer, profilierte Holzlaibungen der Türen, Leuchter oder Glasfüllungen u.a.
Das Mietshaus blieb bis 1917 im Besitz der Familie Veselý als es von der Witwe Ludmila Veselá an Karel und Karola Dým verkauft wurde.
Das Haus stellt eine individuelle Variation für die lockeren Formen des westeuropäischen Jugendstils dar. Mit seiner sehr außergewöhnlichen, durch die Glasvordächer entlasteten Fassade hebt es sich von der Straßenfront ab und ist eines der originellsten Gebäude der Straße Veveří, das eine gebührende Pflege verdienen würde.

Aleš Homola

Name
Mietshaus von Theodor Veselý

Datierung
1905

Architekt(inn)en
Karel Kletzl, Theodor Kletzl

Kode
B097

Typ
Mietshaus

Adresse
Veveří 453/6, (Veveří), Brno, Střed

GPS
49°11'57.0"N 16°36'11.1"E

Literatur
Pavel Zatloukal, Brněnská architektura 1815–1915. Průvodce, Brno 2006, S. 175.

Quellen
https://www.pamatkovykatalog.cz/najemni-dum-theodora-veseleho-18079995
Östereichische Wochenschrift für den öffentlichen Baudienst XI, sv. 12, 1905, s. 18.