Haus von Marie Loos

Würde er aber einen Zehner am Marmorkreuz verdienen, verdient die Firma mindestens noch drei Zehner mehr, ohne Arbeit und Sorgen, ja, drei und wer weiß, ob nicht vier Zehner, die in die bodenlose Tasche von Adolf Loos’ Witwe fließen oder zur deutschen Sparkasse wandern.
Josef František Karas, Vichři, Praha 1925, S. 209.

Der Kunsthistoriker und Verfasser grundlegender Texte über das Werk von Adolf Loos in Böhmen und Mähren Zdeněk Kudělka stieß in den siebziger Jahren bei seinen Forschungen in der Wiener Albertina auf die Notiz, dass „Loos in seinem sechsundzwanzigsten Jahr in Brünn (ggf. bei Brünn) ein ,Landhaus‘ errichtet haben soll.“ Falls es gelänge, dieses Haus zu identifizeren – die Pläne dazu haben um das Jahr 1896 entstehen können –, würde es sich um die älteste Realisierung des Architekten überhaupt handeln. Für eine Reihe von Architekturhistorikern war es immer schon verlockend, diese Erwähnung mit dem Bau einer kleinen Landvilla in Verbindung zu bringen, die sich seine Mutter Marie im Jahre 1900 am Rande der Gemeinde Nedwieditz (Nedvědice angeschafft hat, in der die Familie ab 1865 den örtlichen Steinbruch gepachtet hatte. Schon der Vater von Adolf Loos, der in Brünn eine erfolgreiche Steinmetzfirma mit Filalen in Třebič und Nedvědice betrieb, hatte sich dazu entschieden, dort Nedwieditzer Marmor abzubauen. Nach dessen vorzeitigem Tod im Jahr 1879 übernahm die verwitwete Marie Loos die Kontrolle über den Betrieb. Der früher dort beschäftigt gewesene Schriftsteller Josef František Karas hat im Jahr 1925 die Handlung seines Romanes Vichři in das Milieu der Steinmetzwerkstatt in Nedvědice verlegt.

Das Haus befindet sich an der zur Burg Pernstein führenden Straße. Es handelt sich um einen unterkellerten Erdgeschossbau, der durch die dunkelrote Keramikverkleidung und ein weißes Marmorbossenwerk an den Ecken charakteristisch ist. Auch die Fenster sind mit Nedwieditzer Marmor gerahmt. Das auf dem in der Front über dem Risalit eingefügten Balkon befindliche Ziergeländer aus Holz verleiht dem Bau einen Hauch von Romantik. Im gleichen Geist war ursprünglich auch die heute zugemauerte Eingangsveranda ausgeführt.

Die Pläne zu dieser reizenden kleinen Villa sind zwar erhalten geblieben, jedoch wird der Name des Architekten darauf nicht aufgeführt. Bauherrin war ursprünglich Marie Loos, Eigentümer wurden jedoch nach und nach ihre Töchter Hermine und Irma Marie. Letzter Eigentümer der Loos-Linie war Irmas Sohn Walter Pirschl-Loos, der das Haus im Jahr 1920 verkaufte. Falls Adolf Loos tatsächlich Autor der Villa ist, müssen die Pläne dazu in einer kuriosen Situation entstanden sein, d.h. nach der Rückkehr von seinem dreijährigen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten, wohin er sich im Jahr 1893 begeben hatte. Der Abreise ging jedoch eine freiwillige Enterbung durch die Mutter voraus, zu der er anschließend den Kontakt abbrach.

Jana Kořínková
 

Name
Haus von Marie Loos

Datierung
1900

Route
Auf den Spuren von Adolf Loos

Typ
Einfamilienhaus, Villa

Adresse
104, Nedvědice, !nezařazeno

GPS
49.453765141870164, 16.32891728647569