Süden 1918–1945
Die Architektur-Route durch den südlichen Teil Brünns, das bis zur Hälfte des 19. Jahrhunderts von Stadtmauern umgeben war, beginnt in einer ehemaligen historischen Vorstadt. Unter dem steilen Hang des Petrovs (Petersbergs) breitete sich ein Sumpfgebiet aus, durch das wahrscheinlich bereits ab dem 12. Jahrhundert der Schwarzawa-Mühlbach floss. Dieser wurde vom Fluss Svratka (Schwarzawa) im westlichen Teil Brünns bei der Steinmühle (im heutigen Stadtteil Pisárky / Schreibwald) abgeleitet und verlief dann durch Staré Brno (Altbrünn), entlang der südlichen Stadtmauern bis in die östlichen Brünner Vorstädte. Bereits seit dem Mittelalter befand sich am Mühlbach, an der Stelle der heutigen Vodní-Straße (vormals dt. Wasserstraße) ein öffentliches Bad, und von der Svratka (Schwarzawa) führte auch die historische Wasserleitung bis hierher zu einer Wasserpumpe, die das Wasser über die Anhöhe des Petrovs (Petersbergs) in die städtischen Brunnen am Zelný trh (Krautmarkt) und am Dominikánské náměstí (Dominikaner-Platz) weiterleitete. Dank des Schwarzawa-Mühlbaches entstand im gesamten Gebiet eine spezifische Atmosphäre, die sich auch in der volkstümlichen Bezeichnung „Brünner Venedig“ widerspiegelte.
Die historische Bebauung unterhalb des Petrovs (Petersbergs) entwickelte sich vor allem in der Umgebung der Hauptwege, die vom südlichen Stadttor nach Staré Brno (Altbrünn) verliefen. Eine der Trassen führte die heutigen Straßen Kopečná und Pekářská entlang, eine zweite durch die damalige Vorstadt Nové Sady (Neustift) und das Dorf Křidlovice/Grillowitz (an der heutigen Krídlovická-Straße). An die Häuser und Gehöfte schlossen an der gesamten Südseite der Stadt bis hin zum linken Ufer des Flusses Svratka (Schwarzawa) ausgedehnte Gemüse- und Obstgärten an. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es zu einer Melioration des sumpfigen Bodens in der Nähe des Mühlbaches, und zwischen den bisherigen Wegen wurde eine neue Straße (die heutige Hybešova-Straße) gebaut, die die Verkehrsverbindung mit Staré Brno (Altbrünn) erleichterte. Auf dem gesamten Gebiet erhöhten sich deshalb die Bauaktivitäten, und nach 1850, als das gesamte Vorstadtviertel Bestandteil der Stadt Brünn wurde, wuchsen sie weiter an. Am Beginn des 20. Jahrhunderts war die Umgebung der neuen Straße bereits komplett mit Wohnhäusern sowie mehreren Industrieobjekten bebaut und durch eine neue Straße erweitert, die bis ans Ufer des Flusses Svratka (Schwarzawa) führte.
Einen markanten urbanistischen Eingriff stellte für den Süden der Stadt der Bau der Eisenbahnstrecke dar. Die von Wien kommende Nordbahn oder Břeclaver (Lundenburger) Bahn, die über das Brünner Viadukt zum Personenbahnhof führte, durchschnitt bereits im Jahre 1839 die Neustifter Gärten. In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde das ursprüngliche Viadukt durch einen Damm ersetzt, auf dem ein neuer Güterbahnhof mit einem ausgedehnten Lagergebäude errichtet wurde. Dadurch verschwand ein großer Teil der Gemüse- und Obstgarten-Parzellen und das gesamte Gebiet dieses potentiellen Villenviertels verlor an Attraktivität.
Nach der Entstehung der selbständigen Tschechoslowakei im Jahre 1918 konzentrierten sich die Bauaktivitäten unter dem Petrov (Petersberg) hauptsächlich auf die Errichtung öffentlicher Gebäude, deren Betrieb sich angesichts der steigenden Einwohnerzahl als unerlässlich erwies. Dabei handelte es sich in erster Linie um Schulgebäude in den Straßen Křídlovická und Poříčí. Im Zuge der Bemühungen um eine Verbesserung der hygienischen Bedingungen an den Orten, an denen die älteren Gebäude nicht über angemessene Sanitäranlagen verfügten, kam es zu einem Umbau und einer Erweiterung des Areals des Volksbades in der Kopečná-Straße.
In Zusammenhang mit den Vorbereitungen des neuen Bebauungsplanes der Stadt Brünn entstand im Laufe der 20er Jahre eine Konzeption zur Verlegung des damaligen Personenbahnhofs in Richtung Süden und zur Erweiterung des Stadtkerns entlang der Straße Nové sady bis hin zu den Ufern des Flusses Svratka (Schwarzawa). Ausgearbeitet wurde sie von Bohuslav Fuchs, Josef Peňáz und František Sklenář, die im Jahre 1927 mit ihrem Projekt „Tangenta“ einen Ideenwettbewerb zur Stadterneuerung gewannen. Der Entwurf sah die Entstehung einer Promenade anstelle der bisherigen Eisenbahnstrecke vor (durch eine Verlängerung der heutigen Benešova-Straße) sowie eine Weiterentwicklung der städtischen Bebauung in ihrer Umgebung. Die Ausdehnung des Stadtzentrums, um neue Verwaltungs-, Geschäfts- und öffentliche Gebäude bereichert, würde sich dadurch nahezu verdoppeln. An die Hauptachse der Promenade sollte eine breite Verkehrsstraße anknüpfen, die als südliche Ausfallstraße dienen würde, und in ihrer Umgebung war der Bau neuer Wohnviertel geplant. Der Entwurf diente in den 30er Jahren als Grundlage für eine Studie zur Entwicklung des Südens der Stadt. Angesichts der wirtschaftlichen und anschließend auch der politischen Situation vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges kam es jedoch nicht zu ihrer Umsetzung im ursprünglich geplanten Ausmaß.
Es gelang jedoch, einige der urbanistischen Vorhaben an der gegenüberliegenden Seite des Flusses Svratka (Schwarzawa) zu verwirklichen. Die Häuser und Gehöfte waren bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich entlang der Vídenská-Straße entstanden, die die Hauptverkehrsstraße in Richtung Süden darstellte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts reichte ihre Bebauung bis an das Gebäude des Zollamtes an der Ecke der heutigen Celní-Straße heran. Im Jahre 1883 wurde hinter dieser Grenze der sogenannte Zentralfriedhof erbaut, der die zahlreichen bisherigen Grabstätten in der Nähe des Stadtzentrums ersetzte. Das sich schrittweise erweiternde Friedhofsareal wurde in der Zwischenkriegszeit durch die Gebäude einer Trauerhalle und eines Krematoriums ergänzt. Zum Friedhof hin wurde auch eine neue Straße angelegt (die heutige Renneská-Straße), die an die Achse der Straße Nové sady anschloss. Das regelmäßige Straßennetz in ihrer Umgebung ermöglichte in der zweiten Hälfte der 30er Jahre den Bau von sozialem Wohnraum als Alternative zu den sogenannten Not-Kolonien beispielsweise in der Polní-Straße oder im bis heute existierenden Viertel Kamenná čtvrť (Stein-Viertel). Auf die schwierige Situation der Wohnungsnot in den untersten Gesellschaftsschichten reagierte im Jahre 1936 eine Novelle des Baugesetzes, das eine staatliche finanzielle Unterstützung sogenannter Minimalwohnungen vorsah. Auf diese Weise konnte beispielsweise eine ausgedehnte Kolonie mit Kleinwohnungen zwischen den heutigen Straßen Renneská und Dvorského oder weitere kleinere Gebäude in den Straßen Náplavka und Ypsilantiho entstehen.
Die geplante Verbindung der Renneská-Straße mit der westlichen Ausfallstraße (die heutige Jihlavská-Straße), zu der es erst im Laufe des zweiten Weltkriegs kam, bedeutete eine markante Veränderung dieses Stadtteils. Nach der Zuschüttung des Schwarzawa-Mühlbaches und dem Abschluss des kleinen Stadtrings durch eine Verlängerung des unteren Teils der Husova-Straße Anfang der 40er Jahre wurden aus den Straßen Nové sady und Renneská Durchfahrtsstraßen. Zweifellos wurde dadurch die Verkehrssituation im Stadtkern selbst erleichtert, doch die Attraktivität der Wohngebiete im Süden Brünns sank mit der anwachsenden Verkehrsbelastung innerhalb kürzester Zeit.
Eine neue verkehrstechnische Lösung brachte in den 80er Jahren zwar eine bedeutende Beruhigung der Renneská-Straße mit sich, die urbanistischen Eingriffe in ihrer Umgebung sorgten jedoch nicht für die Entstehung eines städtischen Charakters. Die Straße Nové sady bleibt weiterhin eine Verkehrsader und über die zukünftige Gestalt des sogenannten Südzentrums entscheidet heute ein vorbereiteter neuer Raumordnungsplan.
Name
Süden 1918–1945
Länge
4 km
Anzahl der Objekte
12
Beginn der Route
Nádražní 203
Erstes Objekt
Städtisches Bad Kopečná
C362
Öffentlicher Verkehr
Nové Sady (TRAM 1, 2, 4, 8, 9, 10, 12)
GPS
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