In der Mitte der Westseite der Straße Vachova steht ein vierstöckiges Mietshaus mit bemerkenswerter modernistischer Frontfassade, dessen streng wirkungsvoller Ausdruck von einem dominanten, von einem asymmetrischen Giebel gekrönten Erker bestimmt wird. Die Urheberschaft dieses Hauses wird mit dem produktiven Brünner Architekten mit markanter Jugendstilhandschrift Max Matzenauer in Verbindung gebracht.
Der aus einer Brünner Baumeisterfamilie stammende Maxmilian Leopold Matzenauer besuchte die deutsche staatliche Gewerbeschule in Brünn und offenbar auch das dortige Polytechnikum. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entwarf und baute er auf Baugrundstücken des assanierten Stadtkerns von Brünn eine ganze Reihe von Wohnbauten. Das Epizentrum seiner Bauaktivitäten befand sich in der Straße Kobližná. Dort erwarb er 1906 an der Ecke der Straßen Kobližná und Vachova von der Stadt ein Baugrundstück, auf dem er ein ausgedehntes zweiflügeliges Mietshaus errichtete (Vachova 36/1). An der anderen Ecke der Straße Vachova entwarf er für den Baumeister Adolf Bacher ein Mietshaus (Vachova 43/5), dessen von einem mächten turmartigen Eckerker verbundenen Jugendstilfassaden auch von dem Autor signiert wurden (Fecit 1906. / Matzenauer). Matzenauer war auch Baumeister und zugleich Bauherr eines Teils der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Im Falle des Hauses Vachova 39/3 ist seine Urheberschaft jedoch umstritten. Der architektonische Charakter der Frontfassade des Baus unterscheidet sich stark von den beiden von Matzenauer entworfenen Nachbarobjekten mit deutlich jugendstilhaft verzierten und reich strukturierten Fassaden.
Die strenge Monumentalität der Fassade des Hauses Vachova 3 wird durch einen mächtigen Erker hervorgehoben, der – außer den Seitenachsen – die ganze Fassadenbreite einnimmt. Die Baumasse des Erkers wurde völlig asymmetrisch komponiert und ist ein lockeres Spiel unregelmäßiger geometrischer Formen – die Erkerecke ist an einer Stelle gebrochen, um bald mit einem gotisierenden Dreiecksgiebel in eine rechteckige Ecke überzugehen. Die unterschiedlich geformten Fensteröffnungen sind in unregelmäßigen Kombinationen über die Fläche verteilt, und der Dreiecksgiebel links wird von einer rechteckigen Loggia ergänzt, deren geschnitzter Sturzträger von zwei gebündelten Holzsäulenpaaren gestützt wird. Der Kontrast zwischen grobem Strukturputz und glatten Faschen und Raster der aus vielen Scheiben bestehenden Fensterfüllungen stellen dann die einzigen weiteren Zierelemente der modernistisch lapidaren Fassade dar.
Zur Klärung der Frage zum Urheber dieser interessanten Architektur kann die zeitgenössische Presse behilflich sein. Der Jahresbericht der deutschen Gewerbeschule in Brünn von 1909 informiert darüber, dass Professor Monter die Pläne für den Bau der beiden Häuser des kaiserlichen Rates Jaumann in der Krapfengasse (Kobližná) und Wiesergasse (Dvořákova) in Brünn geliefert und ihren Bau geleitet hat sowie die Fassade für das Haus Bacher in der Reißiggasse (Vachova) entwarf. 1909 wird Adolf Bacher als Besitzer des Hauses Vachova 43/5 aufgeführt, das nachweislich von Max Matzenauer entworfen wurde. Er war ebenfalls Besitzer des Objektes an der Adresse Vachova 39/3, wo er allerdings erst ab 1911 belegt ist.
Die formalen Merkmale der Fassade des Hauses Vachova 3, wie etwa die deutliche Vertikalität der asymmetrischen, von einem Giebel und einer Loggia gekrönten Fassadenkomposition, das strenge geometrische Dekor mit den Kontrasten der glatten architektonischen Elemente und Flächen des Grobputzes, entspricht tatsächlich Max Monters Handschrift, der darüberhinaus noch mit dem Baumeister Bacher des öfteren zusammengearbeitet hatte.
Eine Identifizierung des Baus mit dem Urheber anhand einer Stilanalyse und eines indirekten schriftlichen Belegs macht eine autoritative Feststellung der Fakten unmöglich, ist jedoch wahrscheinlich. Unstrittig ist, dass es sich um ein sehr gelungenes Werk handelt, das unter Verwendung traditioneller Formen eine bemerkenswerte originelle Architektur mit elegant modernistischer Vereinfachung des traditionellen Formenapparats darstellt.
Aleš Homola