Tschechische Knaben-Volks- und Bürgerschule

B129

Im Schulwesen hat sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts der tschechisch-deutsche Nationalkampf deutlich widergespiegelt. Die tschechische nationale Emanzipation kam unter anderem auch in dem Bestreben zum Ausdruck, über genügend Schulen für einen Unterricht in tschechischer Sprache zu verfügen. Auch der beabsichtigte Neubau eines Schulgebäudes im schnell wachsenden Königsfeld (Královo Pole) wurde zum Gegenstand politischer Streitigkeiten und Hauptthema der Lokalwahlen von 1912, bei denen diejenigen gewannen, die ihren Bau unterstützten, vor allem ihr Hauptpropagator, der Schuldirektor František Doušek. Das monumentale Gebäude der 1912‒1913 nach einem Entwurf des Architekten Antonín Blažek erbauten Tschechischen Volks- und Bürgerschule für Knaben und Mädchen am Slawischen Platz (Slovanské náměstí ) war in der Vorkriegszeit der Stolz von Königsfeld und Symbol für die damaligen Bemühungen eine moderne tschechische Stadt aufzubauen. Die Schule wurde mit symbolhaften Statuengruppen verziert und an der Frontfassade mit der großen Inschrift versehen: Für immer und ewig hier stehe - führe – schütze – trotze!, worüber die österreichischen Behörden aufgebracht waren.
Zum 1912 ausgeschriebenen Wettbewerb für das Bauprojekt der Schule wurden insgesamt vierzehn Entwürfe eingereicht. In der Jury saßen der Professor am tschechischen Technikum Karel Hugo Kepka, der Baurat der Statthalterei und Architekt Josef Karásek, der Landesoberingenieur und Architekt Vladislav Rybka und der Königsfelder Architekt Antonín Blažek. Zehn Entwürfe wurden wegen ungeeigneter Grundrisslösungen vom Wettbewerb ausgeschlossen, von den restlichen vier wurden zwei Siegerprojekte ausgewählt. Autor des einen war der Architekt Václav Vejrych aus Prag, des anderen der Brünner Architekt Vladimír Fischer. Die ausgewählten Entwürfe dienten Antonín Blažek als Vorlage, der dann die endgültigen Baupläne ausarbeitete, die mit Juli 1912 datiert sind. Laut ihnen wurde das Gebäude im Laufe des Jahres 1913 von dem örtlichen Baumeister Eduard Grümm in Zusammenarbeit mit dem Maurermeister Kristián Dejmek errichtet. Die Bauabnahme des fertiggestellten Baus erfolgte am 26. Januar 1914, und mit dem Unterricht wurde am 3. Februar desselben Jahres begonnen. In den Neubau wurden zwei Volksschulen und beide Bürgerschulen aus der Straße Palackého třída umgesiedelt, die anschließend für die Bedürfnisse des Königfelder Rathauses umgebaut wurden. Das neue Schulgebäude beherbergte auch einen Kindergarten und später auch eine Bibliothek.
Die Grundkomposition der Königsfelder Schule basiert auf der traditiionellen Architektur von Schulgebäuden der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es handelt sich um ein dreiflügeliges zweistöckiges Gebäude mit Mansardendach, dessen streng symmetrische Hauptfassade eine klassische dreiteilige Komposition hat und von einem axialen Bogengiebel gekrönt wird. Die abgerundeten Ecken werden durch von einem Balkon gekrönten halbrunden Erkern hervorgehoben, in denen sich die Räume des Direktorats und ein Konferenzzimmer befanden. In der Hauptfassade wurden symmetrisch zwei Eingänge untergebracht, von denen einer der Knabenschule und der andere der Mädchenschule diente. Die Eingänge werden von den mächtigen Baumassen der Ädikulaportale gerahmt, zwischen denen auf Ebene des Erdgeschosses das Wappen der Stadt Königsfeld und die Jahreszahl 1913 in Stuck ausgeführt wurden.
Eine bedeutende Rolle in dem mit einer Demonstration des tschechischen Patriotismus verbundenen gedanklichen Konzept des Gebäudes sollte eine Verzierung mit Statuen einnehmen. In dem 1913 ausgeschriebenen Wettbewerb kamen sechs Entwürfe zusammen, den ersten Preis erhielt Václav Prokop aus Prag und den zweiten die Brünner Bildhauerfirma Reinhart-Kocourek. Mit einer Ehrenwürdigung wurden auch die Entwürfe der Bildhauer Václava Hynek Mach und V. Přikryl bedacht.
Die figurale Verzierung des Giebels der Hauptfassade entstand offenbar nach dem Entwurf von Václav Prokop, es ist jedoch möglich, dass sie schließlich von dem Königsfelder Stuckateur Přikryl ausgeführt wurde. Es handelt sich um zwei allegorische Statuenpaare, die offenbar eine Personifizierung der Elternschaft, Bildung und Erziehung oder des Lehramtes darstellen. Auf der linken Seite des Giebels steht eine Frau, die ein Buch hält und unter ihrem Mantel einen Knaben schützt. Ihr Gegenstück ist eine slavisch gekleidete männliche Figur, die ein Mädchen schützt. Der Königsfelder Bildhauer Václav Hynek Mach schuf dann die vier allegorischen Statuengruppen in den Portalen beider Eingänge, zwei Kinderfiguren – Knaben und Mädchen – die mit den Parolen Zur Arbeit, Zur Begeisterung, Zu den Wissenschaften und Zur Kunst benannt wurden. Bei in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts an diesen Statuengruppen durchgeführten Reparaturen kam es zu einer Beschädigung der ursprünglichen Modellierung, auch die Proportionen und der ursprüngliche bildhauerische Ausdruck wurde verändert.
Auch den Innenräumen hat man beim Bau eine große Aufmerksamkeit entgegengebracht. Das monumentale Treppenhaus wurde mit einem Geländer aus Kunststein in deutlich modernistischen geometrischen Formen versehen. Vom Treppenabsatz eröffnen sich durch Bogenarkaden wirkungsvolle Durchblicke in die Räumlichkeiten des Gebäudes. In den Zwischengeschossen befinden sich große zum Hof gewandte Buntglasfenster mit edlem Dekor im Stil des geometrischen Jugendstils.
Die repräsentativen Eingangsräume wurden mit Deckenmalereien versehen. In ovalen Spiegeln befinden sich bunte, an die Volkskunst angelehnte florale Ornamente. Die Decken der Korridore wurden durch Stuckrahmen mit Malverzierungen in Form geometrischer Muster gegliedert, stilisierte florale Motive tauchen auch an anderen wichtigen Stellen im Gebäude auf. Ursprünglich gab es auch in den Unterrichtssälen bunte Malereien in Form von dekorativen Bändern in den oberen Wandzonen.
Der zur Straße Bulharská gewandte Flügel wurde 1936 um einen Anbau erweitert, in dem eine Turnhalle, Duschen, ein Vortragssaal und Werkstätten untergebracht wurden.
Bei der Grundkonzeption und den Grundrissdispositionen handelte es sich um ein konventionelles Schulgebäude mit überwiegend neobarocken Formen. Architekt Blažek hat historisierende Formen hier jedoch deutlich vereinfacht und den Akzent auf sparsame geometrische Formen verstärkt. Anschließend fügte er ein Dekor im Stil der frühen geometrischen Moderne mit kubisierenden Elementen hinzu. Die Schule am Slawischen Platz ist dergestalt ein typisches Beispiel für eine Architektur an der Grenze des Historismus, Jugendstils und der Moderne. Das authentisch erhalten gebliebene Gebäude ist eines der bedeutendsten Architekturdenkmäler im heutigen Brünner Stadtteil Königsfeld und die Dominante des einstigen Allslawischen Platzes, der den Kern einer großzügig angelegten städtebaulichen Lösung des neugebauten Zentrums von Königsfeld bildete. Auf der Fläche des Platzes wurde ein moderner Stadtpark nach dem progressiven Entwurf des herausragenden Hamburger Landschaftsarchitekten Leberecht Migge angelegt (später von Josef Kumpán umgestaltet). Blažeks Schulgebäude kam dadurch im Kontext eines kultivierten Stadtgrüns zur Geltung. Ein Pendant zur Volks- und Bürgerschule und zur Dominante der gegenüberliegenden Südseite des Slawischen Platzes wurde später das Gebäude des Tschechischen staatlichen Reformrealgymnasiums aus den Jahren 1927–1929.

Pavla Cenková

Name
Tschechische Knaben-Volks- und Bürgerschule

Datierung
1912 – 1913

Architekt(inn)en
Antonín Blažek, Vladimír Fischer

Kode
B129

Typ
Schule, Internat

Adresse
Slovanské náměstí 1218/2, Bulharská, Srbská 1218/1, 2 , (Královo Pole), Brno, Královo Pole

GPS
49°13'26.2"N 16°35'29.9"E

Literatur
Autor neuveden, Výsledek ideové soutěže na náčrtky plánů měšťanských škol v Králově Poli, Příloha (Zprávy různé k číslu 8 Technického obzoru), Technický obzor. Zprávy spolku architektů a inženýrů v Čechách, 1912, S. 32.
Autor neuveden, Výsledek soutěže na sochařskou výzdobu novostavby měšť. škol v Králově Poli, Příloha (Zprávy různé k číslu 13 Technického obzoru), Technický obzor. Zprávy spolku architektů a inženýrů v Čechách, 1913, S. 75.
Autor neuveden, Zpráva o realizaci školní budovy podle plánů A. Blažka stavitelskou firmou Grimm & Dejmek, Der Bautechniker, 1921, S. 1122.
Autor neuveden, Základní škola Slovanské náměstí v Brně - Králově Poli, Sborník ke 100. výročí otevření školní budovy, Brno 2014
Jana Mlatečková, Méně známá osobnost brněnského sochaře Václava Hynka Macha a jeho tvorba nejen na jižní Moravě, Jižní Morava 47, 2011, S. 209‒233.
Jana Osolsobě, Architekt Antonín Blažek (1874 –1944), Katalog výstavy, Brno 1997
František Tálský, Vývoj Králova Pole od let padesátých minulého století až po dobu přítomnou, Královo Pole. Nástin vývoje do roku 1925, Brno 1926, S. 25‒136.
Pavel Zatloukal, Brněnská architektura 1815–1915. Průvodce, Brno 2006, S. 202.
Jana Uhlířová, Brněnský sochař Václav Hynek Mach (diplomová práce), FF MU, Brno, 2003


Quellen
Ludmila Machová, Deník, V. H. Mach – potíže – historie – přísloví, rkps., soukromý rodinný archiv
Muzeum Brněnska, Sbírka Podhoráckého muzea v Předklášteří, Podsbírka Václav Hynek Mach, inv. č. VHM 1‒513, inv. č. VHM 7‒10, fotografie původních sádrových modelů ke čtveřici sousoší pro budovu školy na Slovanském náměstí v Brně-Králově Poli
https://www.kralovopolstipatrioti.cz/slovanske-namesti-1