„Gegenstand des Unternehmens ist […] das Betreiben aller dazugehörigen Nebengeschäfte, besonders das Gast- und Schankgewerbe im zur Fabrik in Rohrbach gehörenden Gasthaus.“ Statuten der Rohrbacher Zuckerraffinerie-Actien-Gesellschaft, Wien 1916, unpaginiert.
Zum äußeren Teil des Industrieareals der Zuckerraffinerie von Hrušovany zählte auch das Gebäude des Bahnhofsrestaurants mit Unterkunftseinrichtungen. Ältere Ansichtskarten verraten, dass es sich ursprünglich um einen Fachwerkbau mit höhergezogenen Eckpartien handelte, der sich direkt gegenüber dem Abfertigungsgebäude befand, das in einem ähnlichen Stil ausgeführt war. Das Restaurant wurde ab 1908 von der Raffinerie betrieben, und seine Räume dienten zur Verpflegung und zu kulturellen Veranstaltungen der Beschäftigten. Dort hatte der Theaterverein der Zuckerfabrikbediensteten seinen Sitz, auch wurden dort Kurse des Roten Kreuzes oder regelmäßige Treffen von politischen Parteien abgehalten. Im Mai 1915 erhielt die Raffinerie für die Konskriptionsnumer 129 die Baugenehmigung für ein neues Restaurantgebäude; mit den Arbeiten wurde demnach nach Fertigstellung der Direktorenvilla und noch vor dem Brand begonnen, der im November desselben Jahres im Fabrikkomplex ausbrach. „Am 6/I 1916 wurde die Gehnemigung zum Bezug erteilt,“ hat der Dorfschreiber von Hrušovany Augustin Weis notiert. Selbst trotz des heutigen unerfreulichen Zustandes des Bahnhofsrestaurants, das Ende der siebziger Jahre eine grundlegende Renovierung durchmachte, ist seine ursprüngliche Disposition, die sich gleich durch mehrere bemerkenswerte Züge auszeichnet, immer noch erkennbar. Die Front dieses zweistöckigen Baus mit glatter Fassade bilden zwei Eckrisalite, zwischen denen sich im Erdgeschoss der vorgezogene Raum eines Cafés befand, das Dach war begehbar – es diente für die Unterkunftseinrichtungen im ersten Stock als Terrasse. Ein ähnliches Prinzip hat der Architekt Adolf Loos auch bei einer Reihe anderer Bauten verwendet, ebenso das Flachdach, das um das Jahr 1916 immer noch als exzentrisch angesehen wurde. Die obere, in einer Reihe rechtwinkliger Felder gegliederte Fensterpartie wirkt so, als ob sie auf die nahegelegene Direktorenvilla verweisen würde. Die Innenlösung des Restaurants zeugt vom Esprit des Architekten. Die von Durchzügen gegliederten hohen Decken liegen auf Pfeilern auf, die den Restaurantteil vom zum Bahnhof hin gerichteten Café abteilen; abseits vom Hauptraum befindet sich ein kleiner Privatsalon. Der Betriebsteil mit der Küche hat eine Längsdisposition, von ihm führt einer der Zugänge zu den Gästezimmern im ersten Stock. Als Zugang für die Gäste diente eine schmale Treppenhalle mit verglastem Lichtschacht, der ein wenig überraschend an die Lösung des Treppenaufgangs der Villa Müller in Prag erinnert.
Das Gebäude wird in keinem Verzeichnis der Bauten aufgeführt, an denen der Architekt Adolf Loos beteiligt war, auch ist leider keine Projektdokumentation erhalten geblieben, die seine Autorschaft bestätigen oder widerlegen könnte. In einem Artikel, der anlässlich des sechzigsten Geburtstages des Architekten erschien, erwähnte jedoch der langjährige Mitarbeiter des Architekten Karel Lhota, den er in Brünn kennengelernt hatte, dass „[Adolf Loos] auch in irgendeiner Stadt in Mähren ein Restaurant und verschiedene Wohnungen“ [realisiert hat]. Trotz gründlichen Exzerpierens der Dokumente konnte nur sehr wenig über die Geschichte des Gebäudes in Erfahrung gebracht werden, und mit dem Schaffen von Adolf Loos wird es vorerst nur im Hinblick auf die formale Charakteristik des Bauwerks, seinen Standort, die Entstehungszeit sowie auf den Auftraggeber in Verbindung gebracht.
JK