„Übermorgen wird Bauer aus Brünn von London nach Paris kommen, und ich werde ihn darum bitten, mir für August 1000 Franken zu geben”.
Brief von Adolf Loos an Bohumil Markalous vom 21. 8. 1924 aus Paris nach Brünn, in: Zdeněk Kudělka, Činnost Adolfa Loose v Československu I, Sborník prací Filosofické fakulty Brněnské university F 17, Brno 1973, S. 152–15, zit. S. 153.
„In Brünn adaptierte er das Wohnhaus (richtigerweise, er baute das ganze Innere des Hauses um) des Zuckerindustriellen Bauer auf der Rampe. Die Wandverkleidungen wurden von den Vereinten kunstgewerblichen Betrieben (U. P. závody) geliefert. Die Arbeit damit war schwierig, die Räume hatten schiefe Wände, im Hauptsaal war keine einzige Ecke im rechten Winkel, mit den Fenstern war es eine Quälerei – und auf Loos hat man wie auf das Erbarmen gewartet. Morgens kam er aus Wien angereist, vormittags hat er sich alles angesehen, mittags hat er mit uns zu Mittag gegessen, dann besuchte er Vaněk in den U. P. závody und mich in der Redaktion der ,Wohnungskultur‘, wo er schon ganz zappelig war und schließlich kundtat, dass er in einer halben Stunde wieder zurück nach Wien fährt.“ Mit diesen Worten fasste der Schriftsteller und Loosens Freund Bohumil Markalous im Jahr 1929 den etwas schleppenden Verlauf der Sanierung des Bauer-Schlosses zusammen, mit welcher der Architekt in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre betraut worden war.
Das Gebäude des Schlosses befand sich im Industrieareal am südwestlichen Rand von Altbrünn und gehörte früher zum Komplex der Altbrünner Zuckerfabrik, die im Jahr 1906 abgebrannt war. Die Grundstücke der sog. Bauer’schen Rampe hatte Bauers Großvater Moritz im Jahr 1849 für die Rohzuckerfabrik gekauft. Damals hat das kleine Schloss seine erste große Sanierung durchgemacht und erhielt mit den Umbauten zum barocken Kern sein heutiges klassizistisches Aussehen. Als die Eheleute Viktor und Marietta Bauer im Jahr 1911 starben, erbte ihr Sohn Viktor das Areal und die Grundstücke, der sich nach zahlreichen Reisen durch Europa und exotische Länder dazu entschied, sich mit seiner Frau und vier Kindern dort niederzulassen. Man schrieb das Jahr 1919, das im Geiste der Proklamation der selbständigen Tschechoslowakei dahinging. Der ausgebildete Jurist, Amateurethnograph und Politologe Viktor Bauer jun. glaubte zunächst an ein unproblematisches Zusammenleben zwischen den deutschen und tschechischen Mährern. Zehn Jahre später entschied er sich dazu, auf die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft zu verzichten. Grund dafür war die Beschlagnahme der Bauer’schen Rampe für den Bau des Landesmessegeländes, das im Jahr 1928 die berühmte Ausstellung zeitgenössischer Kultur beherbergte. Die Feier der Erfolge des jungen Staates in der unfreiwilligen Nachbarschaft verfolgte Bauer mit einer Bitterkeit, die es ihm unbeabsichtigt gelang, auf einer Reihe von Familienfotos festzuhalten.
Loosens Sanierung des Gebäudes war schon seit 1925 bekannt, als in der Revue Wohnungskultur in einer Kurzbiographie des Architekten die Erwähnung abgedruckt wurde, dass er zusammenarbeitet mit den „Vereinten kunsthandwerklichen Betrieben, mit denen er zur Zeit die Adaption und Innenausstattung des Sitzes des Großindustriellen Dr. Viktor Bauer in Brünn besorgt.“ Der tatsächliche Anteil von Adolf Loos am Umbau des kleinen Schlosses wird jedoch erst durch den Fund einer Reihe von Fotografien deutlich, die von Viktor Bauer jun. gemacht worden waren. Das Familienfotoalbum kam nach 1945 in die staatlichen Sammlungen, als der Besitz der Familie aufgrund der Beneš-Dekrete konfisziert wurde. Nachdem das Schloss in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre dem benachbarten Messegelände einverleibt wurde, kam es zu weiteren Verlusten.
Anfang der zwanziger Jahre kam es unter der Aufsicht von Loos zu einer Erweiterung und Vertiefung des linken Gebäudeflügels, der durch diesen asymmetrischen Umbau eine vom Frauenschlafzimmer im ersten Stock her zugängliche begehbare Terrasse erhielt. An den Seiten des barocken Portikus wurden zwei Fenster mit einem halbrunden Abschluss vergrößert. Diese sind, ähnlich wie beide Eingangstüren, in einem (für Loos typischen) rechtwinkligen Raster gegliedert. Im Erdgeschoss wurde in den Jahren 1922 und 1923 der großzügige Raum des Speisezimmers mit Marmorverkleidung ausgebaut, das allerdings nicht fertiggestellt wurde, ferner eine Schlossbibliothek und die Büroräume der Aktiengesellschaft der Zuckerraffinerie von Hrušovany mit eigenem Eingang. Links hinter den Haupteingang kam die Garderobe hin. Ihre Decke wurde von einem Dachfenster sowie von einer charakteristischen rechteckigen Durchsicht durchbrochen, die auf das Podest des Haupttreppengangs ausgerichtet war, in welchen ein marmorverkleideter Blumenkübel eingebaut wurde. In dieser speziellen Verbindung der Räume können Anzeichen des sog. Raumplans gesehen werden. Der den Haupteingang mit dem Garteneingang verbindende Korridor und der zu den Wohnräumen im ersten Stock führende Treppenaufgang wurden mit einer neuen Holzvertäfelung in dunklen Tönen versehen. Der rechte Flügel mit eigenem Eingang wurde von den Mietern benutzt.
Was die Inneneinrichtung anbelangt, wie Möbel, Beleuchtung oder Heizkörper es sind, ist Loosens Handschrift auf historischen Fotos auch an der Gestaltung der fünf Durchgangssalons im ersten Stock zu erkennen. Das gilt besonders für das Arbeitszimmer, wo in der Sitzecke ein Einbausofa mit Schrank, ein Ledersessel mit typischem Lehnsessel und über dem sog. Elefantenrüsseltisch eine Zuglampe mit Gewicht arrangiert wurden. An der gegenüberliegenden Seite des Raumes befand sich ein quer zum Fenster aufgestellter Schreibtisch mit einem Stuhl der Firma F. O. Schmidt und einer Messingstehlampe mit Quasten, die ein Erkennungszeichen für die Interieurs von Loos sind. Eine charakteristische Lösung mit untraditioneller Grundidee verwendete der Architekt im Falle des Schlafzimmers von Bauers Ehefrau. Die moderne, achsenmäßig symmetrische Komposition weißer, mit Spiegeln versehener Einbaumöbel bildet hier einen Kontrast zur allgegenwärtigen Vergoldung und einem im Stil von Ludwig XVI. ausgeführten Ornament. Das benachbarte Schlafzimmer von Viktor Bauer zeichnete sich hingegen durch eine quadratische Vertäfelung aus poliertem Holz, eine Blumentapete und durch einfache Möbel und ein einfaches Ehebett aus der Werkstatt der Vereinten kunsthandwerklichen Beriebe von Jan Vaněk aus. Erwähnenswert sind auch die Chippendale-artigen Stühle, die Loos mit Vorliebe nach englischen Vorlagen anfertigen ließ: „Das entwerfen eines neuen speisezimmersessels empfand ich als narretei, eine vollständig überflüssige narretei, verbunden mit zeitverlust und aufwand. Der speisezimmersessel aus der zeit um chippendale herum war vollkommen. Er war die lösung. Er konnte nicht übertroffen werden,“ schrieb Loos im Jahr 1929 in seinem Nachruf auf den Wiener Stuhlhersteller Josef Veillich.
JK