Deutsches Gymnasium (heute Musikfakultät der Janáček-Akademie für musische Künste),

AL08

 Zur Jahreswende 1861 und 1862 entschied sich Adolf Loos sen. aus Wien wieder zurück nach Brünn überzusiedeln, wo er als „bürgerlicher Bildhauer und Steinmetz“ einen eigenen, bereits 1860 gegründeten Gewerbebetrieb zu unterhalten begann. Die erste Werkstatt richtete er sich in im Hof des Gasthauses Zum schwarzen Adler in der heutigen Straße Orlí Nr. 7 angemieteten Räumen ein. Nicht lange danach gelang es ihm, zwei prestigeträchtige Aufträge zu erhalten: einen Teil der bildhauerischen Verzierung der Fassade des Deutschen Gymnasiums und Arbeiten für die Mährische Landes-Irrenanstalt. Loosens Arbeiten an diesen beiden bedeutenden öffentlichen Neubauten wurden von den zeitgenössischen Glossatoren als zweifellose Erfolge beurteilt und mit folgenden Worten gewürdigt: „Der junge talentierte Mann hat schon einen bedeutenden Ruf erlangt, und erhält auch von vielen Seiten Privataufträge“. (Correspondent II, Nr. 117, 21. 5. 1862, S. 3) Von grundlegender Bedeutung für Loosens Karriere waren sie noch aus einem weiteren Grund: er lernte dabei Josef Arnold kennen, mit dem er danach ganze zwanzig weitere Jahre eng zusammenarbeitete.
Für die Fassade des Deutschen Gymnasiums schuf Loos 24 mächtige Lorbeerkränze, die im höchsten Fassadengurt die einzelnen Ecken des Gebäudes akzentuierten, und 32 Porträtmedaillons griechischer und römischer Gelehrter, „klassischer Repräsentanten der Wissenschaft“, wie sie von der zeitgenössischen Presse genannt wurden (Neuigkeiten XII, 1862, Nr. 284, 19. 10., S. 1).
Das Ensemble besteht aus runden Medaillons mit den Köpfen der im Flachrelief modellierten und im Profil dargestellten Porträtierten, die von einem profilierten, einen Ehrenkranz evozierenden Rahmen umgrenzt werden. Obwohl es sich um idealisierte und stilisierte Porträts handelt, die dem dekorativen Zweck angepasst wurden, kann man an ihnen individuelle Züge der einzelnen Persönlichkeiten erkennen, die antiken oder historischen Vorlagen entsprechen. Die Namen der einzelnen Vertreter antiker Gelehrtheit werden auf den meisten Medaillons unten angegeben: „Apuleius“, „Caesar“, „Cicero“, „Euripides“, „Herodot“ (Herodotos), „Hippokrates“, „Homer“, „Likure“ (Lykurgos), „Persius“, „Plato“, „Pompeius“, „Seneca“, „Sokrates“, „Sophokles“, „Tacitus“ und „Tolomeo“ (Ptolemäos). Jedes Porträt wurde zweimal an der Fassade angebracht, wodurch die Gesamtanzahl von zweiunddreißig erreicht wird. Ihre räumliche Anordnung an der Fassade ist jedoch nicht ganz regelmäßig. Darüberhinaus kann man bei einem detaillierten Vergleich feststellen, dass während das Sokrates darstellende Medaillon an der Fassade mit nur einem Exemplar vertreten ist, wird das Porträt seines Schülers Platon dort insgesamt dreimal wiederholt, und zwar noch zweimal an der Hauptfassade (wo ansonsten kein Porträt doubliert wird). Diese Tatsache kann aus heutiger Sicht nicht anders als ein „Fehler“ gewertet werden, und es ist interessant, dass man in der von uns an den Fassaden erwarteten symmetrischen Regelmäßigkeit der Anordnung einzelner Motive ähnliche „Fehler“ auch an weiteren Brünner Bauten aus jener Zeit vorfinden.
Wir wissen, dass Loos sen. auch ein eigenes Modell von einer der vier Karyatiden für den Eingangsportikus vorgelegt hat, jedoch wurde diese wichtigste Partie der bildhauerischen Verzierung letztendlich an den Bildhauer Josef Břenk (1820‒1878) vergeben. Die den Tempel Erechtheion auf der Athener Akropolis paraphrasierenden Karyatiden im Portikus stellen die Geschichte, die Mathematik, die Philosophie und die Grammatik dar. Als Allegorie klassischer Studien verkörperten sie das Ideal des zeitgenössischen humanistischen Schulwesens und gaben ebenso wie Loosens Porträts auf diese Weise dem gedanklichen Konzept der Dekoration des Schulgebäudes den letzten Schliff.
Zur gleichen Zeit arbeitete Loos sen. auch am Neubau der Mährischen Landes-Irrenanstalt (Brno-Černovice, Húskova 6, heute Psychiatrisches Krankenhaus), der nach den Entwürfen des Wiener Architekten Ludwig von Zettl und des mährischen Landesbaudirektor Joseph Seifert von Josef Arnold in den Jahren 1856–1863 Josef Arnold ausgeführt wurde. Loos sen. lieferte für das Areal jegliche Bildhauer- und Steinmetzarbeiten für die Innen- und Außenräume der Bauten einschließlich der Anstaltskapelle. Das Werk wurde mit einer Sandsteinstatuengruppe vollendet, welche die Fassade des Hauptgebäudes der Anstalt krönt und aus zwei allegorischen Frauenfiguren besteht. Die an den Seiten des mährischen Landeswappens komponierten Figuren stellen die Medizinische Wissenschaft für Geisteskrankheiten (Figur mit Harfe) und die Genesung (Figur, die den Schleier zurückschlägt) dar. „Die Arbeit ist tadellos und der Gesichtsausdruck beider ist meisterhaft getroffen, was dadurch noch verdienstvoller ist, da er alle Züge stark machen musste, denn die Statuen werden auf den höchsten Teil des Bauwerks gesetzt. Wir sind davon überzeugt, dass sich Herr Loos mit dieser Arbeit eine feste Grundlage für einen guten Namen unter den österreichischen Bildhauern schafft“, lobt die zeitgenössische Presse sein Werk (Moravská orlice, Jg. I., Nr. 57, 17. 5. 1863, S. 1).

PC

Name
Deutsches Gymnasium (heute Musikfakultät der Janáček-Akademie für musische Künste),

Datierung
1860 – 1862

Architekt(inn)en
August Siccard von Siccardsburg, Eduard van der Nüll

Baumeister
Josef Arnold

Route
Auf den Spuren von Adolf Loos

Kode
AL08

Typ
Schule, Internat

Adresse
Komenského náměstí 609/6, (Město Brno), Brno, Střed

GPS
49.1968044N, 16.6041339E

Quellen
https://encyklopedie.brna.cz/home-mmb/?acc=profil_domu&load=126