Fakultät für Sozialstudien der Masaryk-Universität (Neues Gebäude des Deutschen Technikums)

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Kurz nach seiner Ankunft in Brünn als außerordentlicher Professor der Deutschen technischen Hochschule erhielt der Wiener Architekt Ferdinand Hrach den Auftrag, das ursprüngliche Gebäude dieser Hochschuleinrichtung am Comeniusplatz (Komenské náměstí) zu vergrößern. Das aus dem Jahre 1860 von dem Architekten Ignaz Latzel stammende Objekt ergänzte er um ein Stockwerk, erweiterte den Bau um einen Hoftrakt und anschließend auch um den Neubau des sog. Chemischen Instituts. Allerdings erwiesen sich auch diese neugewonnenen Räume binnen kurzer Zeit als unzureichend. Dank der allgemeinen Blüte der technischen Wissenschaften, der Entstehung einer Abteilung für Elektrotechnik und der Gründung neuer Spezialfächer und Lehrstühle war die Zahl der Studienbewerber auf natürliche Weise angestiegen. Das ständige Interesse der Studenten brachte gesteigerte Ansprüche an die Hörsäle und Ausstattung der Arbeitsstätten der einzelnen Lehrstühle mit sich.
Bereits drei Jahre nach Beendigung der vorhergehenden Bauarbeiten erwarb die Schule im Jahr 1902 ein Grundstük zum Bau eines neuen Gebäudes für das Deutsche Technikum an der Stelle der ehemaligen Vorstadt „Schwabengasse“. Das dreieckige Grundstück befand sich in der repräsentativen Brünner „Ringstraße“ in unmittelbarer Nähe der bestehenden Schulgebäude. Auf dem Baugrundstück stand allerdings noch die ältere Bebauung, die Baugenehmigung wurde erst mit Verspätung erteilt, und hinsichtlich Verzögerungen wegen Größe und Kosten des Baus konnte erst Ende Mai 1907 mit den Bauarbeiten begonnen werden.
Architekt Ferdinand Hrach erstellte das Bauprojekt, die Ausführungspläne und die Kalkulation des vierstöckigen Gebäudes, das als separater Block, d.h. unter maximaler Nutzung des Baugrundstücks konzipiert war. Hrach war teilweise auch an der Leitung der Bauarbeiten beteiligt, nichtsdestotrotz wurde Josef Nebehosteny Bauleiter und Josef Matzenauer Hauptbauingenieur. Bereits nach einem Jahr konnte das Gebäude teilweise genutzt werden, fertiggestellt und feierlich eröffnet wurde es im Herbst 1910.
Die Projektvergabe rechnete mit der Schaffung mehrere Hörsäle, die größer sind als in den ursprünglichen Gebäuden, mit einem Festsaal mit Vestibül, mit Räumen für die Lehrstühle, Labors und Arbeitsstätten für die Fächer Chemie, Elektrotechnik, Hoch- und Tiefbau und Architektur sowie mit einer zweckmäßigen Verknüpfung miteinander zusammenhängender Fächer. Separate Räume sollten die Fotoarbeitsstätte und die meteorologische Station haben.
Im Erdgeschoss befand sich der Haupteingang mit Vestibül, wo man Zugang hatte zu den Privatwohungen der Gebäudeverwalter, zu der in die Obergeschosse führenden Haupttreppe und zum Korridor, der um den Innenhof verlief und von dem man in die einzelnen Räume gelangte. Im zweiten Stock befanden sich die repräsentativen Räumlichkeiten Empfangs-, Sitzungs- und Festsaal. In die gebrochenen Ecken des Grundrisses brachte Ferdinand Hrach an der Stelle, an der sich die Straßen Joštova und Marešova begegnen, den sog. großen Hörsaal unter, dessen Höhe ebenso wie die des Festsaals über das dritte Stockwerk ging.
Die Außenfassade wurde anhand von großen Fensterflächen, hohen Risaliten, Lisenen und einem mächtig auskragenden Hauptgesims in die Form eines markanten Reliefs gebracht. Was die Verwendung der ornamentalen und figuralen Verzierungen und alle dekorativen Details anbelangte, war der Zweck des Baus entscheidend. Architekt Hrach legte bei der Fassadengestaltung den Schwerpunkt auf den Charakter des Schulgebäudes, auf Qualität und Solidität ohne überflüssigen Prunk. Stilistisch bekannte er sich mit den gewählten Formen zur strengen Renaissance. Dominante figurale Elemente sind Maskaronen und erkennbare Porträtzüge über den Erdgeschossfenstern und drei Frauenfiguren, die in den Nischen der Ostfassade untergebracht wurden und Allegorien der technischen Fächer – Maschinenbau, Architektur und Chemie – darstellen. Reliefs der Eulen von Athen mit Eichenlaubkranz verweisen auf eine Hochschuleinrichtung und auf die deutsche Nationalsymbolik mit dem Bemühen, auf alle Motive zu verzichten, die an die Fassaden von Mietshäusern erinnern würden.
Ein Vergleich der drei benachbarten von Ferdinand Hrach in einem gewissen zeitlichen Abstand entworfenen und fertiggestellten Schulgebäude verraten, dass sein architektonisches Schaffens auf eine allmähliche Säuberung der Fassaden ausgerichtet war, und dass die Baukonstruktion, d.h. der Baukern, außen kopiert werden sollte. Das wird auch von Hrachs kontinuierlicher Betonung der Verknüpfung der Außen- und Innengestaltung des Baus gestützt. Anhand dessen kann der Neubau der Deutschen technischen Hochschule in Brünn zu den Bauwerken gezählt werden, die zu den Entwicklungsanfängen eines modernen architektonischen Ausdrucks gehören.
Dieser ist bis heute an den Fassaden erhalten geblieben, im Rahmen einer umfangreichen Sanierung des Objekts kam es im Jahr 2005 zur Verglasung des Hofes und zu einer Reihe Veränderungen in der Disposition. Das Gebäude ist heute Sitz der Fakultät für Sozialstudien der Masaryk-Universität.

Šárka Svobodová