Stiftungshaus von Valentin Falkensteiner

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Nicht ganz ein Jahr vor seinem Tod gründete der Brünner Unternehmer, Stadtrat und Mäzen Valentin Falkensteiner (1800–1884) die wohltätige Valentin Falkensteiner Stiftung, deren Zweck die finanzielle Unterstützung für Studierende, Arme, Waisen, Blinde und Kranke war. Die Stiftung trug durch ihr Kuratorium zum Bau verschiedener Einrichtungen wie etwa des städtischen Waisenhauses bei und baute eigene Stiftungshäuser. Die Mieten dieser Häuser bildeten dann neben der Geldeinlage, Wertpapieren und Forderungen aus Hypotheken eine der Finanzquellen der Stiftung.
Auf dem Kapuzinerplatz (Kapucínské náměstí) gehörten der Stiftung zwei Häuser, Nr. 4 und 2, die auch Valentin Falkensteiners letzter Wohnsitz vor seinem Tod waren. Das Kuratorium beschloss, auch das zwischen diesen Häusern stehende Gebäude zu kaufen und an der Stelle der ursprünglichen Objekte ein neues, modernen Bedürfnissen entsprechendes Gebäude zu errichten, das „zur Verschönerung der Stadt beiträgt“.
An dem ausgeschriebenen Wettbewerb nahmen drei lokale Baumeister teil, und die Jury überzeugte das Bauprojekt von Hubert Olbert. Im Hinblick auf die repräsentative Parzelle stellte das Kuratorium erhöhte Ansprüche an die ästhetische Wirkung des Baus, und seine Mitglieder beschlossen, die Fassadengestaltung jemandem aus den Reihen der „hervorragendsten Architekten“ anzuvertrauen. Der angesprochene Ferdinand Hrach, ein Professor der Deutschen technischen Hochschule, nahm den Auftrag an, und beteiligte sich neben dem Fassadenentwurf auch an den Bauplänen und an der Kalkulation der Baukosten. In seinen vor allem in der Fachzeitschrift der Deutschen Ingenieur-Vereine in Mähren veröffentlichten Schriften lehnte er allerdings eine ähnliche Vorgehensweise des architektonischen Schaffens ab, wenn Grundrisslösung und Fassadengestaltung nicht auf der Invention einer einzigen kreativen Persönlichkeit basiere. Seinen Worten nach schlage sich die Außengestaltung eines Bauwerks zwangsläufig immer in seinem Grundriss und der Dispositionslösung und umgekehrt nieder.
Das dreistöckige Gebäude mit hochgezogenem Erdgeschoss wurde auf einem unregelmäßigen Grundriss entworfen, und an das Haupteingangsgebäude schließen noch drei kleinere, um den Innenhof gruppierte Trakte an. Das Haus hatte mehrere Funktionen – es wurde an Gewerbetreibende vermietet (Erdgeschoss des Hauptgebäudes), es diente zur Unterbringung von Studenten verschiedener Brünner Schulen (10 Zimmer im ersten Stock), und die übrigen Räume wurden als Wohnungen an Brünner Bürger vermietet. 1910 sind in dem Haus den Archivquellen nach 16 Haushalte und insgesamt 68 Hausbewohner belegt.
Die Gliederung der Haupt- und Seitenfassade ähnelt wiederum Hrachs vorhergehenden Bauten. Kordongesimse und Mittel- und Eckrisalite teilen die Fassade horizontal und vertikal in drei Teile. Gegenüber seinen vorhergehenden Bauten sind die Risalite allerdings sehr flach und werden in einer Attika von Giebeln abgeschlossen. Das markante Dachgesims wird von Konsolen gestützt, die Eindeckung des Hauses besteht aus einem Halbwalmdach. Ein neues Element bei Hrachs Bauten ist ein halbkreisförmiger Erker an der Ecke der heutigen Masaryk-Straße und des Kapuzinerplatzes, der von einem Zwiebelturm mit Laterne gekrönt wird. Neu ist auch die Verwendung von Balkonen mit Balustradengeländer.
Nur einige Jahre zuvor nahm der Architekt Hrach erfolglos am Wettbewerb für ein anderes Stiftungshaus teil, und zwar für das von Valentin Gerstbauer, einem Neffen Falkensteins. Dieses sollte auf dem heutigen Freiheitsplatz gebaut werden, und Hrach hat sich mit der Niederlage gegen die Architekten Germano Wanderlay und Alois Prastorfer nur schwer abgefunden. Das Wettbewerbsergebnis hat er sogar in der Lokalpresse öffentlich angefochten und kritisierte besonders den Dekorativismus und die „Unsinnigkeit der Verzierungen“ an den Fassaden von Brünner Stadthäusern. Im Falle von Valentin Falkensteiners Stiftungshaus hat aber selbst er zwecks Steigerung der repräsentativen Wirkung auf Einfachheit verzichtet. Er entwickelte in höherem Maße Motive, die auch bei seinem ersten Brünner Bauwerk, dem Mietshaus von Alfred Fischel, auftauchten. Die üblichen Pilaster, die bei vielen von Hrachs Bauten zwei Obergeschosse miteinander verbinden, ergänzte er hier um florale Ornamente und Maskarons, Kartuschen über den Fenstern und um weitere dekorative Elemente mit dem sich wiederholenden Motiv des Olivenzweigs.
Das „Hängedekor“ in den Lisenen zwischen den Fenstern und an den Pilastern rückt Ferdinand Hrachs Entwurf in die Nähe der Brünner Bauwerke von Franz Pawlu (1854–1922). Während Pawlu in der Formgebung seiner Fassaden zu Jugendstilmotiven tendiert, blieb Ferdinand Hrach hier bei klassizistischen und barockisierenden Stilformen.
Das heutige Aussehen der Fassade wurde ebenso wie die Innendisposition des Wohnhauses ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts nach und nach verändert, auch kam es zu einer Umgestaltung der Geschäftsräume im hochgezogenen Erdgeschoss.

Šárka Svobodová