Im Jahr 1902 gewann der Wiener Architekt Eugen Fassbender einen Wettbewerb für den neuen Regulierungsplan der Stadt Brünn. Der Regulierungsplan bestimmte das Aussehen der Bebauung ganzer Vorstädte einschießlich der Umgebung des Augartens – der heutigen Drobného-Straße, die damals Parkstraße und auf tschechisch später Sadová-Straße hieß. Die dortigen abschüssigen und vor allem lukrativen Grundstücke erwarb der Architekt und Baumeister František Pawlu für seine Familienfirma und erbaute dort ein Belvedere genanntes Luxusmietshaus. Sein Sohn Arnold bebaute die gegenüberliegende Front der damaligen Erbenova-Straße.
Ähnlich wie bei dem Tivoli-Ensemble am Konečný-Platz (Konečného náměstí) hat Pawlu dort einen urbanistisch besonders wichtigen Raum gestaltet, der an zeitgenössische Wiener oder Pariser Referenzen erinnert. Die Gestaltung der Fassaden ist ein typisches Beispiel für Pawlus Spätwerk des auf die neobarocke Masse des Hauses applizierten ausklingenden Jugendstils, die von einem reich gegliederten Mansardendach gekrönt wird. Für das Haus typisch ist die üppige Verwendung von Balkonen, die in malerischen geschwungenen Linien die Konturen des Gebäudes kopieren und den Bewohnern einen Blick auf den Park und das entfernte Panorama des Stadtzentrums bieten. Neben den Fassaden sind im Inneren des Gebäudes Details der Stuck- und Holzverzierungen erhalten geblieben, die sich vor allem in den Gemeinschaftsbereichen des Treppenhauses und der Korridore befinden.
Die ausgedehnte und plastische Masse des neobarocken Wohnhauses war kein Solitär ohne Bezug zu seiner Umgebung, ganz im Gegenteil. Unmittelbar nach der Fertigstellung wurde im Erdgeschoss ein Café und Restaurant betrieben, das auch die Terrasse vor der Ecke gegenüber dem Park nutzte. Zusammen mit einem Gemischtwarenladen oder einem Milchgeschäft bot es den zur Oberschicht zählenden Eigentümern, von denen die großzügig konzipierten Wohnungen des Hauses bewohnt wurden, die notwendigen Einrichtungen. Hier lebten vor allem Brünner deutschsprachige und jüdische Familien, die beispielsweise in Banken, Anwaltskanzleien oder im Staatsdienst tätig waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zu einem Wohnheim und zu Büros degradiert, später diente es als Hotel, und heute wird es wieder zu Wohnzwecken genutzt.
Matěj Kruntorád