Das Mietshaus des Brünner Baumeisters Franz Pawlu, der in einer der dortigen Wohnungen selbst gewohnt hat, gehört zu den wertvollsten architektonischen Denkmälern Brünns aus der Zeit um das Jahr 1900. An der sonst im Grunde genommen vereinheitlichten Anlage des Gebäudes ragt die Ansicht der offensichtlich radikalsten Jugendstilfassade in Brünn mit ihrer auffälligen Farblösung und dem anspruchsvollen vegetabilen Dekor heraus.
Ähnlich wie bei weiteren Brünner Bauten von Franz Pawlu aus jener Zeit wurde der Grundentwurf der Fassade und der Details der Dekoration von dem Wiener Mietshausensemble Otto Wagners in der Linken Wienzeile aus den Jahren 1898‒1899 inspiriert, und zwar besonders von Wagners Majolikahaus in der Linken Wienzeile 40. Eine sehr ähnliche Lösung mit einem regelmäßigen Fensterraster, Seitenlisenen und einem durchgehenden Metallbalkon hat auch die Fassade von Wagners Mietshaus in der Wiener Universitätsstraße 12.
Das vierstöckige Reihengebäude mit einem ursprünglichen Zwischengeschoss hat eine sechsachsige Straßenfassade, die an den Seiten von stark hervorstretenden Lisenen umrahmt wird. Seine geometrische Grundgliederung wird von einem regelmäßigen Raster mit 24 länglichen Fenstern bestimmt. Die Flächen zwischen den Fenstern füllt ein reiches florales Dekor im Hochrelief. Bündel von vertikalen, im oberen Teil dekorativ gewellter Stengel tragen zarte Blätter und auffällige weiße Irisblüten, die auch unter den Fenstern des obersten Stockwerks zu sehen sind. Die Iris zählte neben der Lilie, der Tulpe, der Seerose und dem Mohn im Jugendstildekor zu den beliebtesten Blumen. Grund dafür war offensichtlich die Form ihrer Blüten, die es ermöglichte, sie über die Fläche zu verteilen.
Das Parterre wird von den oberen Stockwerken durch einen durchgehenden Vollmetallbalkon abgetrennt, der zusammen mit einem stark hervortretenden Gesims in der sonst vertikal konzipierten Fassade eine deutliche horizontale Linie bildet. Der Balkon wird von floralen Metallkonsolen getragen, und formschöne Rundungen eines stilisierten Blumendekors schmücken auch die einzelnen Felder des Geländergeflechts.
Die Straßenfassade wird von einem stark hervortretenden profilierten Dachgesims gekrönt, das von kleinen goldfarbenen Konsolen gestützt wird. Die Untersicht des Gesims ist mit einem bunten Dekor aus Bändern mit geometrisierten roten Rosetten und grüner Lauberde versehen, was ein Zitat Wagnerscher Motive ist.
Die Fassade krönen zwei sich gegenüberstehenden, antikisierenden Statuen eines Genius mit ausladenden Gesten der Feier. Diese Figuren unterstreichen den triumphalen Charakter des Gebäudes, das eine Apotheose des Jugendstils darstellt.
In dem Haus lebte und arbeitete der slowakische Architekt Dušan Samuel Jurkovič (1868–1947) in den Jahren 1903–1906, bis er in seine eigene Villa in den Brünner Stadtteil Žabovřesky in die Straße Jana Nečase Nr. 2 umzog.
Das denkmalgeschützte Haus wurde im Jahr 2009 sensibel renoviert, wobei auch die ursprüngliche Farbgebung des Jugendstilstuckdekors erneuert wurde.
Pavla Cenková