Experimentelle Häuser in der Straße Křídlovicka

D151
In der Křídlovicka-Straße in Altbrünn entstanden experimentelle Bauten, anhand denen die Möglichkeiten und Methoden für weitere Wohnbauten in der Tschechoslowakei ausgetestet werden sollten. In einem fünfstöckigen Objekt – dem sog. Experiment A, sollte die Effizienz traditioneller gemauerter Konstruktionen erprobt werden, im Experiment B – einem elfstöckigen Punkthaus dann die von dem Architekten Zounek bereits beim Prototyp in der Vinařská-Straße angewandte Methode, Beton auf der Baustelle zu gießen. Neben technologischen Fragen sollten erneut Raumdispositionen von Wohnungen untersucht werden, die auf eine reale und ideologisch konstruierte Veränderung des Lebensstils der Bevölkerung reagieren und sich deutlich von den üblicherweise zugrundegelegten Lösungen unterschieden. Komposition und Funktion des Komplexes werden in Form des zweistöckigen Objektes einer Kinderkrippe mit sozialer Infrastruktur ergänzt.
Bei dem in vier Sektionen unterteilten fünfstöckigen Wohnhaus mit Wohnungen für zwei bis vier Personen wurde ein Konstruktionssystem mit tragenden Zwischenwänden aus dünnwandigen Keramikformsteinen und Deckenplatten mit Keramikeinlagen verwendet, wodurch eine ausgeprägtere Variabilität der Dispositionen und eine Verletzung der reinen Konstruktionsgrundsätze von tragenden Zwischenwänden erreicht werden sollte. Man machte hier ausschließlich von traditionellem Mauerwerk, regionalen Materialien und leichter Technik Gebrauch, ohne industriell hergestellte Wohnungskerne zu verwenden. Die Lösung war von dem Bestreben beeinflusst, die zu sekundären Funktionen dienenden Flächen, wie etwa Stauräume oder Sanitärbereiche, zugunsten einer konsequenten Trennung der Wohnzimmer, Schlafzimmer und Kinderzimmer zu begrenzen. Die von Hand gemauerten Formsteine steigerten den Realisierungsaufwand und die Kosten, was dann ausschlaggebend dafür war, dass der Prototyp keine weitere Verwendung mehr fand. Das aus zwei Sektionen bestehende elfstöckige Haus mit Außenwänden aus freitragenden Monolithbetonplatten sollte, ähnlich wie bei dem Prototyp in der Straße Vinařská, versuchsweise den Einbau einer zusammen mit dem Wohnungskern und der Küche im Innern der Disposition untergebrachten Wendeltreppe erproben.
Neben einer begeisterten, mit einer massiven Propagierung der Experimente in der Straße Křídlovická zusammenhängenden Aufnahme wurden jedoch auch kritische Stimmen laut. Beide Prototypen wurden der Öffentlichkeit auf Musterausstellungen von eingerichteten Prototypwohnungen vorgestellt. Ihre Besucher hatten die Möglichkeit, ihre Beobachtungen in einem Besucherbuch einzutragen, in dem vor allem die begrenzten Stau- und Nebenräume der Wohnungen, die Dispositionslösung mit Durchgang zum WC durch das Badezimmer und die unzureichende Schallisolierung negativ bewertet wurden. Ähnliche Vorbehalte werden genauso auch in einer vom Forschungsinstitut für Aufbau und Architektur herausgegebenen Publikation von Libuše Macková zusammengefasst, worin alle fünfzehn Projekte des ersten experimentellen Bauvorhabens in funktionell-technischer Hinsicht analysiert wurden. Das propagandistische Potenzial des Baus in der Křídlovická-Straße wird auch in dem von den Beschäftigten der Hochbaugesellschaft Pozemní stavby gedrehten instruierenden Film über das Experiment B dokumentiert, der „unseren Arbeitern gezeigt und sogar in der Sowjetunion vorgeführt“ werden sollte. Der Film stellt die Herstellung der Gussbetonkonstruktion direkt auf der Baustelle bzw. die Teilnahme des Ministers für Bauwesen Oldřích Beran an der feierlichen Inbetriebnahme des Objektes dar. Darüberhinaus wurde es auf dem Brünner Messegelände in Form eines Modells im Maßstab eins zu eins präsentiert.

Gerade die von den Architekten Mojmír Požár und Jaroslav Šmídek vom Institut für Entwicklung der Möbelindustrie in Brünn entworfene Wohnungseinrichtung bildete einen für die Nutzer attraktiven Bestandteil beider Experimente. Die Wohnungen wurden mit einer Kombination von gängigen Einbaumöbeln der Reihe U, des Baukastensystems Montisektor und mit Entwicklungstypen ausgestattet. Die Einrichtung umfasste auch Konferenztische, Sitzmöbel, Wohnzimmerschrankwände, TON-Stühle, Einbauschränke und Stauräume, die außer einigen Holzfurnierarten auch über farblich attraktive Ausführungen für die Kinderzimmer verfügten. Leuchtkörper und Bodenbeläge gaben der komplexen Stileinrichtung ihren letzten Schliff. Positiv aufgenommen wurden auch der Einfallsreichtum und die Qualität der Einrichtung, was Interesse weckte, sie einzeln zu erwerben, was im üblichen Einzelhandelsnetz nicht möglich war. Eine bestaunte Aufnahme wurde auch der architektonischen Lösung des Punkthauses zuteil, die an den sog. Brüsseler Stil erinnert, der sich nach dem Erfolg des tschechoslowakischen Pavillons auf der internationalen Ausstellung Expo 58 verbreitete. 

Name
Experimentelle Häuser in der Straße Křídlovicka

Datierung
1958 – 1961

Architekt(inn)en
Miroslav Dufek, Miroslav Brabec, Radko Černý, František Zounek, M. Sláma

Kode
D151

Typ
Mietshaus

Adresse
Křídlovická 371, 372–375, 376, 380 / 68, 70–76, 78, 80, (Staré Brno), Brno, Střed

Öffentlicher Verkehr
Křídlovická (TRAM 8, 10; BUS 60, 61)

GPS
49°11'01.9"N 16°36'22.2"E

Literatur
Jaromír Houdek, Naše experimentální stavby bytů v Brně, Pozemstav buduje, 1960
Jaromír Houdek, Naše experimentální bytové stavby, Pozemstav buduje, 1960
Jaromír Houdek, Měníme tvář Brna, Pozemstav buduje, 1960
Jaromír Houdek, Naše experimentální stavby bytů v Brně. Užijeme zkušeností ze stavby z litého betonu, Pozemstav buduje, 1960
Jaromír Houdek, Experimentálka roste, Pozemstav buduje, 1960
Blahoslav Váňa, Velký zájem o náš brněnský experiment, Pozemstav buduje, 1960
Bronislav Žáček, Na brněnském experimentu finišujeme!, Pozemstav buduje, 1960
Blahoslav Váňa, Montovatelné příčky na experimentu, Pozemstav buduje, 1960
Jaromír Houdek, Také experiment A dokončen, Pozemstav buduje, 1960
Bronislav Žáček, Experimentální výstavba bytových domů v Brně, Pozemní stavby , 1960
Karel Stroch, Pokusné stavby, prototypy, projekty a studie rozvíjející novou techniku, Architektura ČSSR , 1961
František Zounek, Pokusný dům v Brně, Československý architekt VI, Praha 1960, S. 3
Kolektiv autorů, Kuchyně z Experimentu A, Pozemstav buduje, 1961
Kolektiv autorů, Ministr výstavby na našem Experimentu, Pozemstav buduje IX, 1961
Kolektiv autorů, Film o našem experimentu B, Pozemstav buduje, 1961
Libuše Macková, Bydlení v experimentálních domech, Praha 1964


Quellen
Fotodokumentace uložená v Archivu města Brna (fond U 5 Sbírka fotografií 1850–2011) a v Muzeu města Brna (Oddělení dějin architektury a urbanismu)
https://pamatkovykatalog.cz/experimentalni-jedenactipodlazni-bytovy-dum-13889306