„Der Architekt und Philosoph Adolf Loos, ein gebürtiger Brünner, hält am Mittwoch, den 28. Januar d. J. im Brünner Kunst-Gewerbemuseum um 20. Uhr einen Vortrag zum Thema: Von der Ökonomie in der Architektur (auf Deutsch). Der Vorverkauf der Eintrittskarten ist in der Verkaufsstelle der Vereinigten kunstgewerblichen Betriebe, Masarykova 31.“
Vortrag von Adolf Loos in Brünn, Rovnost. List sociálních demokratů českých XVI, 28. 1. 1925, Nr. 38, S. 4.
Am 28. Januar 1925 trat Adolf Loos im Vortragssaal des Brünner Kunstgewerbemuseums mit einer öffentlichen Präsentation zum Thema Ökonomie in der Architektur auf. Bei dieser Gelegenheit schuf Vaněks Freund, der Brünner Maler Jaroslav Král, für die Revue Bytová kultura (Wohnungskultur) die bekannte Karikatur, die für den Vortragszyklus als Werbeblickfang diente. Loos war im Rahmen der Reihe zwar nur einer der eingeladenen Vortragenden (neben J. J. P. Oud, Walter Gropius, Amédée Ozenfant, Le Corbusier, und von den tschechischen Architekten im Februar 1925 auch Jan Víšek), jedoch hatte sein Auftritt die größte Resonanz: „Es war der am besten besucht Vortrag im Zyklus. Adolf Loos nimmt heute sicherlich eine führende Stellung in der Bewegung um den neuen Geist in der Baukunst ein. Wohl noch mehr als Theoretiker, denn als Praktiker. Dreißig Jahre kämpfte er darum, was heute von der ganzen jungen Bewegung der neuen Baukunst akzeptiert wird, und erst die heutige Zeit versteht und akzeptiert die Prinzipien, die er sein ganzes Leben verkündete. Loos ist ein Weltbürger. Sein Horizont ist breit, und jeder neue künstlerische Gedanke von ihm hat eine tiefe philosophische Grundlage. Er ist ein ausgezeichnetr Glossator und großer Paradoxeur!,“ würdigte ihn J. B. Svrček. Wie zahlreich Loosens Vortrag besucht wurde, können wir heute nicht mehr feststellen. Außer dem Theoretiker J. B. Svrček hörte ihn aber beispielsweise der Mitarbeiter der Vereinten kunstgewerblichen Betriebe (U. P. závody) Jaroslav Grunt oder Božena Králíková-Stránská, die Ehefrau des Architekten Emil Králík, die auch bei den Vorträgen von Le Corbusier und Amédée Ozenfant zugegen war. Alle drei Redner berührten kritisch die Problematik des Ornaments in der modernen Welt, Loos hat in seiner Radikalität jedoch nicht enttäuscht. „Am wenigsten eignet sich die Methode des Architekten Loos: es ist eine destruktive Methode, im Unterschied zu einer konstruktiven. […] Sich die Gründe des Architekten Loos zu Herzen zu nehmen würde bedeuten, die eigenen Möbel mit Spiritus zu übergießen, sie anzuzünden, die Teppiche, Bilder, Fensterrahmen – und schließlich das ganze Haus zu verbrennen. Die Essenz seines Vortrags war: ,hands off‘ … Künstlerhände weg von allem, was uns auf der Welt umgibt,“ veranschaulichte es Králíková-Stránská. Jaroslav Grunt erwähnte, dass Adolf Loos zum Jahresanfang 1925 in Brünn noch einmal auftrat, und zwar „für die deutsche Rede- und Lesehalle zum Thema ,Siedlung‘.“ Die Einladung der führenden Exponenten der Moderne in die Landeshauptstadt war eine Initiative der neugegründeten Sektion des Prager Klubs der Architekten, um deren Entstehung sich der Architekt Jan Víšek und der Direktor der Vereinten kunstgewerblichen Betriebe (U. P. závody) Jan Vaněk im Jahr 1924 verdient gemacht hatten. Auch in Prag fand parallel dazu eine Vortragsreihe mit dem Namen „Für eine neue Architektur“ statt, die am 3. Oktober 1924 von dem niederländischen Architekten Henrik Petrus Berlage im Prager Mozarteum eröffnet wurde. Bereits im März desselben Jahres nahm Henry van de Velde die Einladung nach Prag an, der dort im Repräsentationshaus zwei Vorträge gehalten hat.
Parallel zu den Vorträgen fand im November 1924 und im Januar 1925 im Brünner Kunstgewerbemuseum eine anschauliche Ausstellung der Produkte der Möbelfirma Vereinte kunstgewerbliche Betriebe statt, die im November und Dezember 1924 auch im Kunstgewerbemuseum in Prag vorgestellt wurde. „Geht euch diese etlichen eingerichteten kleinen Zimmer im Kunst-Gewerbemuseum nur ansehen! Die Brünner Vereinten kunstgewerblichen Betriebe haben bei uns aus Worten Taten gemacht und ihre Fabriken völlig der Idee der maschinellen Herstellung gewidmet, im großen Stil, in Serie typisierte Wohnungseinrichtungen, zu für die weniger vermögenden mittelständischen Schichten erschwinglichen Preisen. Alle Möglichkeiten und Vorteile der maschinellen Herstellung werden hier unter Mithilfe von modern ausgerichteten Architekten genutzt,“ empfahl František V. Mokrý der Öffentlichkeit.
JK