Im Jahre 1925 wandte sich das Brünner Magistrat an die Architekten Antonín Blažek, Vladimír Škára, Pavel Janák und Ernst Wiesner mit dem Auftrag, ein neues Krematoriumsgebäude auf dem Zentralfriedhof in Brünn zu entwerfen. Bei der Auswertung der eingereichten Projekte fand die Expertenkommission des Wettbewerbs jedoch Gefallen an einem alternativen Entwurf Wiesners, der das geplante Gebäude in erhöhter Lage über dem Friedhof in der Nähe der Jihlavská-Straße anlegte. Sie beauftragte deshalb Wiesner und Janák, ihre Entwürfe nach neuen Vorgaben zu überarbeiten. Einhellig entschied sich die Kommission dann für Wiesners Projekt, das zwar kostspieliger war (4 Millionen Kronen), aber in sich eine moderne technische Umsetzung mit einer klar ausgedrückten geistigen Dimension vereinte: „...die technische Form, der technische Apparat, der heute bei der Einäscherung benutzt wird, sind in ihrem Streben nach Abstraktion aufdringlich und lassen jene gedankliche Befreiung nicht zu, die die letzten Momente der irdischen Existenz eines Menschen bei den Hinterbliebenen hervorrufen sollten“, führte Wiesner im Jahre 1928 in einem Artikel in der Zeitschrift Horizont aus. Laut Wiesner sollte es beim Bau eines modernen Krematoriumsgebäudes nicht nur um die Erfüllung funktioneller Erfordernisse und die Benutzung innovativer technischer Mittel gehen. Wichtig war für ihn die Wiederentdeckung des verlorenen sakralen Raums sowie die vollendete Verbindung von Form und Inhalt: „Sicher ist, dass die heutige Durchführung der Einäscherung der Bildung eines neuen Kultes vorausgeht, dass dieser Kult jedoch erst dann entsteht, wenn unsere Zeit, die Technik und die Kunst für ihn einen Ausdruck finden, der durch seine äußere und innere Größe dem Ausdruck des Kultes jener Zeiten gleichkommt. Und der heutige Architekt ist berufen, dem Kult seine Form zu verleihen, seinen äußeren Ausdruck, damit durch ihn eine innere Wirkung erreicht wird.“ Eine innere Wirkung erreicht Wiesners expressive Architektur zweifellos. Die aus spitzigen Pfeilern bestehende Dachkrone, die lange Zunge der Treppe und die Anlegung des Gebäudes auf einer monumentalen Terrasse sorgen tatsächlich für ein emotionales Erlebnis. Einem durchdachten Konzept folgte auch die Gestaltung der Innenräume, die Bestandteil der Trauerzermonie wurde. Die große Trauerhalle wird vom Himmelslicht der verglasten Decke beleuchtet und von einem schwarzen Katafalk aus Marmor dominiert. Nach dem Ende der Zeremonie bewegt sich der Katafalk mit dem Sarg durch ein mächtiges Tor zur Verbrennungsstätte, die wir hinter den drei großen Fenstern mit Gittern im oberen Bereich der Stirnwand vermuten können, und woher er leer wieder zurückkommt. Die ganze Zeremonie sollte symbolisch durch die Verbindung der Seele des Verstorbenen mit dem Himmel mithilfe eines langen Schornsteins im hinteren Trakt des Gebäudes beendet werden. Der ursprünglich geplante Koksofen wurde jedoch beim Bau durch zwei modernere Gasöfen ersetzt und so konnte dieser metaphorische Akt letztendlich nicht verwirklicht werden.
PH